2013 Maserati Quattroporte - Fanaticar Magazin

2013 Maserati Quattroporte – Fanaticar Magazin

Natürlich lesen wir auch, was unsere Kollegen so schreiben. Und dann sehen wir: Übel, knallhart und auch noch knüppeldick, wie die Teutonen auf den neuen Maserati Quattroporte einprügeln. Und es zeigt einmal mehr, dass die Auffassungen halt unterschiedlicher nicht sein könnten: die Deutschen messen sich sowieso nur an sich selbst, und alles, was nicht «made in germany» ist, das ist aus Prinzip mal gar nix wert. Natürlich ist dem auch so, es ist ja allgemein sowie im Speziellen und überhaupt bekannt, dass eigentlich alles, was irgendwie mit Stil zu tun hat, aus Deutschland kommt, die beste Mode, die schönsten Möbel, das wunderbarste Essen, sämtliche Kunst seit dem 6. Jahrhundert…

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2013 Maserati Quattroporte - Fanaticar Magazin

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Nein, der neue Quattroporte ist nicht perfekt. Er feiert heuer gerade seinen 50. Geburtstag (er hat also genau 10 Jahre mehr Tradition als die S-Klasse vom Stern), und wenn etwas in seinem Leben konstant war, neben den vier Türen, dann genau das: er war nie perfekt. Manchmal war er sogar ziemlich weit davon entfernt. Aber man muss ihn sich einmal anschauen, den italienischen Viertürer, gerade im Lauf der Geschichte, und dann wird man feststellen: das ist – automobile Kultur. Dagegen sind andere Autos: nur Autos. Ja, wir haben ihn geliebt, den Vorgänger, gerade im Vergleich mit den achsodollen deutschen Produkten. Man schaue sich eine S-Klasse an dagegen: gähn. Der 7er: elegant wie ein Leberkäs‘. Den A8 können nur neureiche Chinesen lieben und zum Panamera, also: zu seinem optischen Auftritt, da enthalten wir uns eines Kommentars. Lexus ist kein Konkurrent, denn Lexus hat, unter anderem, keine Geschichte; wenn jemand in der gleichen Liga spielt, optisch und was Heritage betrifft, dann der Jaguar XJ. Den mögen wir auch, auch den Neuen, doch damit stehen wir anscheinend auch ziemlich allein (zumindest beim Neuen).

2013 Maserati Quattroporte - Fanaticar Magazin

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Ist der neue so wunderbar wie der alte Quattroporte? Wir sind etwas unschlüssig. Was eigentlich nicht so ein gutes Zeichen ist. Doch er ist halt: gross. Mächtig. 5,23 Meter lang. Wir haben uns beim GranTurismo beklagt, dass er vor allem gross ist, wir haben beim GranCabrio bemängelt, dass er in erster Linie Grande ist, und jetzt: 5,23 Meter. Ein A8 misst 5,14 Meter und in der Langversion 5,27 Meter, ein 7er kommt auf 5,08 Meter und als L auf 5,22 Meter, die noch aktuelle S-Klasse misst 5,10 Meter und in der Langversion 5,23 Meter. Der Panamera: 4,99 Meter, das ist so viel wie der gerade angekündigte Ghibli.

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Doch, doch, er ist ein schönes Automobil. Man sieht ihm seine Übergrösse nicht an, und das ist schon einmal etwas, was andere Hersteller so nicht schaffen. Ja, der Vorgänger, ebenfalls von Lorenzo Ramaciotti geschaffen, war eigenständiger, aussergewöhnlicher, spezieller, ja, es gibt Blickwinkel beim Neuen, da hat er manchmal etwas von Audi, und manchmal – von Citroën (da liesse sich jetzt ein Kreis schliessen, doch das machen wir dann mal andernorts). Doch der Quattroporte ist auf den ersten Blick als italienisches Produkt zu erkennen, die unauffällige Eleganz bei einem doch strahlenden Auftritt, das können nur Südländer. Die tragen auch die fette Rolex am Handgelenk, und es sieht unaufdringlicher, zurückhaltender aus als ein Mitteleuropäer mit einer Swatch. Wir verzeihen den italienischen Fussballern ja auch die Gleitcreme im Haar, und Montezemolo kann einen hellblauen Anzug und braune Schuhe tragen, und es sieht so aus, als ob er darin geboren wurde. Dem deutschen Manager kann der heimische Schneider das Gewand auf den Leib schneidern, und man wird ihn trotzdem als deutschen Manager erkennen.

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Innen bietet der neue Quattroporte richtig viel Platz. Vorne sowieso, aber auch hinten, die Beinfreiheit ist gewaltig; er wird damit auch als Chauffeurslimo tauglich. Wobei: unvorstellbar, irgendwie, einen Maserati nicht selber zu fahren. Doch die Italiener sind ja jetzt eine Welt-Marke, behauptet Sergio Marchionne, und der neureiche Chinese, der sich so einen Wagen leisten will, der setzt sich ganz bestimmt nicht hinters Lenkrad. Ob wir Europäer einen Maserati brauchen, der auch als Staatskarosse taugt, das ist dann wieder eine ganz andere Frage.

2013 Maserati Quattroporte - Fanaticar Magazin

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Bisher, einst war der Innenraum ja immer eines der Prunkstücke des Quattroporte. Er ist es immer noch, denn er ist erfreulich frei von diesen Tausenden von Schaltern und Hebeln und Tasten, mit denen die deutschen Premitrümmer ihre Kompetenz beweisen wollen. Aber es ist halt doch nicht mehr wie früher: ein riesiger Bildschirm dominiert das ansonsten gelungene Armaturenbrett. Tja, ist halt so, muss heute anscheinend so sein. Die ovale Uhr ist noch da, Holz und Leder sind vom Feinsten, stilvoll: Haptik also fein, Ergonomie solala. Die Sitze sind zu mächtig und zu breit, aber der Manager-Hintern ist halt vom vielen Sitzen in vielen Sitzungen etwas breiter geworden, braucht auch mehr Platz für das gut gefüllte Portemonnaie. Hinten aber ist super, und der Kofferraum, 530 Liter, das ist ein Schlund.

2013 Maserati Quattroporte - Fanaticar Magazin

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Doch genug jetzt von den Details, Maserati ist ja unbedingt auch, nein, mehr noch: Fahren. Und Motor. Der ist wieder in Zusammenarbeit mit Ferrari entwickelt worden, ein ganz neues Teil, 3,8-Liter-V8 mit zwei Turbos, 530 PS bei 6800/min, ein maximales Drehmoment von 650 Nm zwischen 2000 und 4000/min. Mit Boost: 710 Nm. So ausgerüstet will der Viertürer in 4,7 Sekunden auf 100 km/h marschieren und bis zu 307 km/h schnell rennen. 1,9 Tonnen beträgt das Leergewicht (fahrbereit), das ist für so viel Blech noch akzeptabel, der Verbrauch soll gemäss Norm bei 11,8 Litern liegen. Wir sagen dazu nur: wir verbrauchten mehr, deutlich mehr… Was unter anderem daran liegt, dass der 90-Grad-V8 halt schon dazu animiert, die Pferdchen über die Koppel zu scheuchen. Turboloch gibt es eigentlich nicht, aber aufgeladen ist aufgeladen, und irgendwie finden wir, das passt nicht zu einem italienischen Automobil, ausser, es ist ein Uno Turbo. Es leidet halt auch der Lärm, der ist zwar immer noch schöner als bei einem Skoda Superb, doch die Klangkulisse einstiger grosser Maserati erreicht er nicht. Gut ist: bis etwa 4000/min ist der V8 schön ruhig, fast schon brav, dann beginnt er zu fauchen. Das passt gut zum Charakter des Quattroporte, der gerne auch ein guter Gleiter ist.

2013 Maserati Quattroporte - Fanaticar Magazin

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Er geht extrem souverän, was auch an der feinen 8-Gang-Automatik liegt, aber das darf man von 530 PS auch erwarten. Sein Hohheitsgebiet ist sicher die Autobhan, die deutsche, und da wird er noch manch einem A-B-M den Marsch blasen, auch bei Tempi weit über 200 liegt er ganz ruhig, ganz locker, angenehm ruhig. Aber das ist bei einem Radstand von 3,17 Metern auch nicht weiter wunderlich. Dieser gewaltige Radstand verhindert dann aber auch die Kurven-Hatz, alles, was eng und klein ist, das mag der Maserati nicht. Er wirkt dann irgendwie auch behäbig – was wir auch auf die, sorry, grottenschlechte Lenkung zurückführen. Anscheinend, heisst es, wurde bei den ersten Wagen bemängelt, sie sei zu leichtgängig, also hat Maserati jetzt korrigiert. Und das Resultat erinnert an einen Militärlaster aus den 50er Jahren: viel zu streng, deshalb auch unpräzis, man muss bei hohen Tempi das Lenkrad festhalten wie Mark Webber, wenn er Sebastian Vettel sieht. Schade, da muss Maserati noch dran arbeiten, unbedingt, auch wenn das bei diesem ziemlich klassischen, hydraulischen System wohl etwas schwieriger werden dürfte. (Erstaunlich ist, um noch einmal auf den Anfang dieser Story zurückzukommen: wir haben nirgends etwas gelesen zur Lenkung, also zumindest nichts, was einer Aussage oder Meinung gleichkäme.)

2013 Maserati Quattroporte - Fanaticar Magazin

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Der neue Quattroporte kostet ab 126’900 Franken, dies mit dem ebenfalls neuen 3-Liter-6-Zylinder (ebenfalls aufgeblasen, 410 PS, maximales Drehmoment 550 Nm), den es nur mit Allradantrieb gibt (wir sind sehr gespannt auf diese Variante). Der Achtzylinder beginnt bei knapp 170’000 Franken, unser Testwagen kam dann auf 186’851 Franken. Nein, ein Sonderangebot ist der Viertürer damit nicht, doch andererseits: einen so günstigen Maserati gab es seit dem Biturbo nicht mehr. Und im Vergleich zu den deutschen Produkten ist diese italienische Stil-Ikone schon fast zurückhaltend eingepreist. Das ist ein bisschen so, als ob der Brioni-Anzug plötzlich günstiger ist das als die Massen-Konfektion von Boss.

Weitere aussergewöhnliche Automobile und klare Worte dazu: www.radical-mag.com.

Text: Peter Ruch
Fotos: Radical Mag