Wenn Anthony Soprano das früher gewusst hätte: Ein italienischer Konzern namens Fiat übernimmt die Zügel von einem der größten amerikanischen Automobilhersteller und bringt somit südländisches Flair mit in die Blutlinie. Chrysler ist nun italoamerikanisch. So wie Mafia-Boss Tony Soprano. Und der Lancia Thema wäre das perfekte Auto für ihn.
Als sich Fiat dazu entschloss, Chrysler vom deutschen Markt zu verbannen und dafür die Marke Lancia neu aufblühen zu lassen, stieß man nicht gerade auf viel Gegenliebe. Zum einen war da die kleine, aber doch recht treue Fangemeinde des 300c, zum anderen die traditionellen Anhänger der Marke Lancia. Man darf dabei aber auch nicht vergessen, dass Lancia heute niemand mehr beachten würde, wenn nicht vor Jahrzehnten automobile Legenden wie der Stratos und der Delta Integrale unzählige Rennerfolge gefeiert hätten. Doch danach dümpelte die Marke im See der Gleichgültigkeit herum. Doch dann entschloss man sich bei Fiat, die Marke neu auszurichten – und zwar im hart umkämpften Premiumsegment.
Schon 1984 gab es mit dem ersten Thema einen Versuch, sich in diesem Klassement zu festigen. Der erste Thema wurde von 1984-1994 gebaut und wurde von Giorgetto Giugiaro von Italdesign gestaltet. Er war baugleich mit dem Saab 9000, Fiat Chroma, und Alfa Romeo 164.
Zu den mittlerweile begehrten Sammlerstücken zählt der Thema 8.32, der unter seiner Motorhaube ein Ferrari Triebwerk aus dem 308 GTB mit bis zu 215 PS beherbergte. Damit ging es in 7,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h und auf, bis maximal 234 km/h Topspeed. Den Innenraum schmückten feinste Armaturen aus Wurzelholz und Leder von Poltrona Frau. Für gut erhaltene Stücke werden derzeit bis zu 25.000 Euro fällig.
Das Design – wie gemacht für den Gangsterboss
Der neue Thema ist ein richtiger Hingucker geworden. Massiv und bullig, so steht er da. Leider hat Lancia sich nicht dazu hinreißen lassen, dem Thema etwas mehr Eigenständigkeit zu verleihen. Stattdessen fährt nun in Europa eine fast originalgetreue Kopie des Chrylser300c herum. Nun denn, auf die Schnelle war wohl auch nicht mehr zu machen. Deswegen ist die Karosserie des Flaggschiffs von Lancia/Chrysler nicht minder präsent. Im Gegenteil: Der Thema macht ordentlich was her.
Die ausdrucksstarke Front wird von dem überdimensionierten Chromgrill dominiert. Die lange Motorhaube und die Xenonscheinwerfer mit Tagfahrlicht bringen dazu noch die nötige Lässigkeit herbei. Überhaupt ist die Nutzung von Chrom ein sehr begehrtes Element beim Karosseriedesign des Thema. Es wird in den Rückspiegeln eingesetzt, unterhalb der Scheinwerfer, im Fensterrahmen, an den Türgriffen, an den Endrohren und der Heckstoßstange. Dennoch gefällt der „Bling Bling Effekt“. Es passt zum Thema, gibt ihm eine stilvolle Note.
Senkrecht nach oben gerichtete Rückleuchten sorgen für den nötigen Pfiff am Heck. Sie stehen, dezent als Heckflossen angedeutet, höher als die Kofferraumklappe. Die dahinter folgende Metallfalz zieht sich bis tief in die C-Säule. Schönes Detail: Kofferraumknopf und Rückfahrkamera wurden beide unauffällig in die Bremsleuchte integriert. So bleibt das Heck clean von störenden Einflüssen. Den Abschluss gibt die zweiflutige Abgasanlage. Insgesamt achteten die Designer penibel darauf, dass sie Symmetrie der Karosserie durch nicht beeinflusst wird.
Der Motor – Laufruhig, sparsam und kraftvoll
Der 3,6 Liter große Pentastar V6 ist ein spaßiges Aggregat. Nur 7,7 Sekunden gehen ins Land bis das 286 PS starke Dickschiff die Tempo 100 Marke erreicht. Was aber in der Zeit der Volllast aus den Endrohren schießt, klingt verdammt gut. Noch schöner ist, dass es auch dabei bleibt. Der angenehm laufruhige Sechszylinder ist sehr kultiviert und hält sich im normalen Straßenverkehr vornehm zurück. Hierbei handelt es sich um einen Pentastar, eine Eigenentwicklung der Chrylser Group. Er wird seit 2010 in Michigan, USA produziert und soll mehr als 25 Prozent weniger im Gegensatz zu seinem Vorgänger verbrauchen. Ähnlich wie der 3,7 V6 aus dem Hause Nissan ist der Pentastar ein Allrounder, der in der gesamten Fahrzeugpalette des Fiat/Chrylser Konzerns Verwendung findet. Im Übrigen ist er auch in der Lage E85 Ethanol zu verarbeiten. Alternativ stehen noch zwei Diesel Varianten mit 190 und 239 PS zur Verfügung.
Im Thema 3.2 arbeitet der Motor zusammen mit einer komfortablen Achtgangautomatik. Was soll man sagen – sie sind ein perfektes Team. Der angegebene Verbrauch von 9,7 Litern auf 100 km konnte auf einer Testdistanz von über 2500 km mehrmals unterboten werden. Das der Verbrauch schlussendlich bei 11,5 Litern landete, ist einer Vollgastest auf der Autobahn und dem spontanen Schneefall in Hamburg zu verdanken. Denn da musste sich der Thema in der Disziplin Querdynamik deluxe behaupten.
Quer geht was…
Man sollte meinen, dass ein 5,06 Meter langes und 1,8 Tonnen schweres Monster wie der Thema auf Schnee das Zittern anfängt – doch Pustekuchen. Die 245er Pirellis hielten die Limousine auch bei Schnee und Glatteis sauber in der Spur. Auch die Automatik reagiert blitzschnell und sortierte fix die Gänge um für optimalen Vortrieb auf der Hinterachse zu sorgen. Die Elektronik lässt sich dabei in zwei Stufen abschalten. Kurze Druck auf die ESP Taste: Traktion ist abgeschaltet, das ESP lässt mehr Spiel bei schnellen Kurvenmanövern. Zweiter Langer Druck auf die Taste: Die Elektronik ist komplett deaktiviert, die Gänge lassen sich im manuellen Modus bis in den roten Bereich drehen.
Doch wenn wir mal ehrlich sind, wird wohl kaum einer auf die Idee kommen die Querdynamik einer solchen Limousine testen zu wollen. Es geht um den Langstreckenkomfort. Und da macht das für den europäischen Markt überarbeitete Fahrwerk einen äußerst souveränen Eindruck. Die Passion des Thema sind die langen Strecken auf der Autobahn. Geschwindigkeiten zwischen 120 und 180 km/hwerden mit einem angenehmen Geradeauslauf und einer komfortablen Abstimmung wahrgenommen. Maximal rennt der Thema 240 km/h, jedoch kapituliert der sonst so sparsame Motor und fördert ordentlich Benzin durch die Leitungen.
Auch auf der Landstraße fühlt sich der Lancia wohl, solange es nicht zu eng in die Kurve geht. Das sonst so neutral bis leicht übersteuernde Fahrwerk neigt dann zum sicherheitsbetonten untersteuern- schiebt also frontal über die mächtigen 20 Zöller. Dann hilft nur noch ein behutsamer Tritt auf die gut dosierbare Bremse um den Thema wieder sicher in die Spur zu bringen.
In der Stadt hingegen stößt das Fahrwerk des Öfteren an seine Grenzen. Bodenunebenheiten und schlechte Straßen lassen die Achsen auf den mächtigen 20 Zöllern gerne mal kräftig poltern und übermitteln dies ungeniert an Fahrer und Beifahrer weiter. Der sonst so souveräne Eindruck im Fahralltag wird hier ein wenig geschmälert.
Der Innenraum wurde wunderbar klassisch gehalten. Edle Holzarmaturen und feinstes Leder wechseln sich hier ab. Ob so oder so- bisher waren weder Amerikaner noch Italiener für ihre hohen Qualitätsstandards bekannt. Doch hier präsentiert sich alles top verarbeitet. Die Tachoinstrumente sind übersichtlich gestaltet und werden in der Nacht von einem freundlichen Blauton hinterleuchtet. Der selbe Farbton findet sich auch in der LED-Beleuchtung des Fahrgastraums wieder. Die großzügigen Getränkehalter halten die Getränke auf Knopfdruck entweder kühl oder heiß. In der Praxis funktionierte das wunderbar. Selbst nach stundenlanger Autofahrt war das Eis im Becher immer noch nicht aufgetaut.
Eine gelungene Geräuschdämmung wehrt störende Geräusche von außen erfolgreich ab. Und so lässt sich die Alpine Hi-Fi Premium Audio Anlage mit sage und schreibe 19 Lautsprechern plus Subwoofer richtig genießen. Optional arbeitet auch eine Harman Kardon Anlage mit einer Leistung von satten 900 Watt im Thema. Bei so einem Orchester Sound möchte den Wagen ungern wieder verlassen.
Die sauber schaltende Acht-Gang-Automatik wird über eine Art Schubhebel bedient, der dem des aktuellen Audi A8 frappierend ähnlich ist. Für besonders hohen Komfort wurden Sitze mit einem neuen Aufbau entwickelt, der über eine eigene Federung verfügt. Die Vordersitze sind außerdem mit einer vierstufigen Lendenwirbelstütze ausgestattet. Doch ganz besonders freuten sich die Passagiere im Fond über die große Beinfreiheit zu den Vordersitzen.
Wie schon beim Thema 3.2 steht hier je nach Ausstattungslinie Leder oder Nappaleder zur Verfügung. Auch das Armaturenbrett ist bei der Executive Variante mit feinstem Leder aus der Manufraktur Petrona Frau bezogen. Die Farbwahl der Innenausstattung wurde hier in harmonischen Brauntönen gehalten. Aufgepassen sollte man bei der Wahl des Panoramadachs. Sitzriesen und Menschen über 1,90 m stoßen dann nämlich schnell an das Glasdach, da sich die Sitze nicht weit genug nach unten fahren lassen. Vorbildlich ist dagegen die elektronische Verstellung Pedalerie.
Die kantigen Ecken und die doch recht imposanten Außenmasse lassen den Thema zum Koloss auf dem Asphalt werden. Doch das ist alles gar nicht so schlimm. Die Rundumsicht ist sehr gut geraten, zusätzlich sorgen noch Sensoren rund um das Auto und eine in die Bremsleuchte integrierte Rückfahrkamera für sichere Parkmanöver. Der Kofferraum bietet mit 462 Litern genug Platz für einen längeren Familienausflug oder im Falle von Tony Soprano für ein bis zwei Leichen. Bei Bedarf lassen sich die Rücksitze im Verhältnis 60:40 umklappen was noch mal zusätzliches Ladevolumen offenbart.
Größter Kritikpunkt beim Thema war einstimmig das Navigationssystem von Garmin. Da baut man schon ein hochauflösendes 8,4 Zoll Display in die Mittekonsole und dann kommt sowas zustande. Unschöne, viel zu große Schriftarten, Straßenzeichnungen wie mit einem bunten Edding gemalt und ein viel zu langsamer Prozessor zum Aufbauen der Karten ließen das Garmin Navi alt ausschauen.
Mal kurz raus zoomen und schauen auf welcher Höhe man sich befindet? Nicht möglich, die angrenzenden Städte oder Dörfer werden einfach nicht namentlich angezeigt.
In der höchsten Detailstufe wird die Map sehr unübersichtlich, die Hardware zudem deutlich überlastet. Schaltet man auf niedrige Detailstufen, fehlen schlichtweg zu viele kleine Straßen um sich in fremden Ortschaften orientieren zu können. Das ist sehr schade, denn die Menüführung funktioniert sonst sehr gut, besonders die Spracheingabe gehört zu den besten, die es auf dem Markt gibt. Hier ist definitiv Handlungsbedarf nötig, zumal dieses System scheinbar Einzug in alle zukünftigen Premiummodelle des Fiat Konzerns halten wird.
Kommen wir doch mal zum Preis! Der hier getestete Lancia Thema in der Excecutive Variante und einem Panoramadach als Extra bietet für 53.200 Euro ein komplett vollausgestattes Premiumautomobil an. Darin in begriffen sind Extras wie die grandiose Soundanlage, die 20 Zöller, Lenkradheizung, Xenon, Abstandsradar…..
Dafür bekommt in den deutschen Landen gerade mal einen BMW 530i mit ein paar mickrigen Extras. Stattet man den Bayer mit der selben Konfiguration des Themas aus steigt der Preis auf weit über 70.000 Euro. Nicht anders ist es bei den Kollegen aus Ingolstadt und Stuttgart.
Jetzt kommt das große Aber…! Schon der Wiederverkaufswert des 300c hielt sich damals in Grenzen. Wer also einen Thema kauft, der sollte sich auch darüber im Klaren sein, dass er beim Verkauf wahrscheinlich kräftig bluten wird. Das ist der Preis für den preisgünstigen Einstieg in den automobilen Luxushimmel.
Was fehlt noch? Nun ja Chrylser bietet in den USA optional auch einen Allradantrieb an. Es wäre schön, diese Möglichkeit auch hierzulande zu bekommen. Auch darf der furiose SRT-8 unter der Haube brabbeln. Warum nicht auch hier? Oder man könnte ihm alternativ in direkter Verbundenheit mit Ferrari wieder ein eben solches Triebwerk einbauen. Ein Thema mit einem 458 Italia Motor? Nichts dagegen!
Fazit: Der Lancia Thema hat durchaus Potential sich auf dem europäischen Markt zu behaupten. Besonders der Platz im Fond und der großzügige Kofferraum machen ihn zu einer interessanten und preisgünstigen Alternative zu den deutschen Premiummarken. Patzer leistete sich der Thema im Testwagenzeitraum kaum. Nachgebessert werden sollte die Grafik des Garmin Navigationssystems. Auch das Fahrwerk darf gerne nochmal für den Stadtverkehr abgestimmt werden. Ansonsten bekommt der Kunde hier wirklich viel Auto für vergleichsweise wenig Geld geboten. Dazu gibt es noch eine gehörige Portion und Charme und ein Vorfahrfaktor der so manch einem deutschen Premiumauto die Show stiehlt. Anthony Soprano wäre stolz auf diesen Italo-Amerikaner gewesen.
Credits:
Text: Mario-Roman Lambrecht
Fotos: marioroman pictures / Lancia
Video: Eyes Pictures / Julien Pohl
Leistungsdaten Lancia Thema 3.6 V6 Executive
Motor | V6 |
Hubraum | 3.604 ccm |
Leistung kw (PS) | 210 kW / 286 PS |
Antrieb | Hinterradantrieb |
Maximales Drehmoment | 340 Nm |
Getriebe | 8-Gang-Automatik (ZF) |
0 auf 100 km/h | 7,7s |
Höchstgeschwindigkeit | 240 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 9,7 l |
Tankinhalt | 72l |
Co2 Emission g/km | 227 g/km |
Leergewicht | 1.876 kg |
Zulässiges Gesamtgewicht | 2.359 kg |
Kofferraumvolumen | 462 l |
Länge | 5.066 mm |
Breite | 1.902 mm |
Höhe | 1.488 mm |
Preis inkl. MwSt. | 50.900,00 Euro |
Das sagen die Kollegen:
Auto Motor Sport: Italo-Amerikaner mit üppiger Ausstattung
Zitat: “Besonders beeindruckend am 5,06 Meter langen Italo-Amerikaner Lancia Thema sind die üppige Ausstattung (Zweizonen-Klimaautomatik, 8,4-Zoll-Touchscreen), die hochwertigen Materialien und die saubere Verarbeitung. Nicht durchweg positiv, weil relativ straff, wirkt das speziell für Europa abgestimmte Fahrwerk des Lancia Thema. Vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten gibt der Zweitonner kurze Bodenwellen ungeniert an die Insassen weiter.”
Auto Plenum: Der neue Lancia Thema
Zitat: “Alte Regeln, neue Regeln – so wie der erste Lancia Thema von 1984, steht auch die aktuelle, dritte Generation vor der anspruchsvollen Aufgabe, sich als echte Alternative zu Audi, BMW und Mercedes zu etablieren. Wie das gelingen kann, bewies die herrschaftliche Limousine schon als Chrysler: viel Raum, viel Komfort, viel Auto fürs Geld.”
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