408 PS, 660 Nm an maximalen Drehmoment und 4,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h – das sind eigentlich Daten die noch vor wenigen Jahren primär Sportwagen zugeordnet worden sind. Der Polestar 2 ist vor allem eins – eine verdammt coole Limousine – mit Elektroantrieb.

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Optisch sind die schwedischen Gene von Konzernmama Volvo unverkennbar. Das können sie einfach perfekt – Design so weit wie möglich reduzieren und stattdessen an den richtigen Stellen unverkennbare Stilelemente setzen. So auch beim Polestar 2 – der ist auch aus zehn Kilometern Entfernung als echter Schwede zu erkennen.

Auch der Innenraum weiß zu überzeugen. Hier setzt Polestar serienmäßig auf vegane Materialien, die sich sehr wertig anfassen. Alternativ ist Leder erhältlich aber meiner persönlichen Meinung nach ist das nicht nötig. Auch sonst ist das Interieur-Design ein Fest für das Auge. Nie zu übertrieben aber bis in die kleinste Ecke stylisch. Da können sich sogar deutsche Premiummarken wie Mercedes-Benz nochmal eine Scheibe von abschneiden – der vergleichbare EQC ist qualitativ nicht auf dem Level des Schweden. Der Polestar 2 fühlt sich an als wäre direkt für den Kunden maßgeschneidert worden – eine echte Lounge Atmosphäre. Herrlich.

Analoge Instrumente haben hier keine Daseinsberechtigung mehr- bedient wird primär über das 11-Zoll Touchscreen in der Mittelkonsole oder via Sprachbefehl. Hier nutzt Polestar Google als System was auf der kurzen Testfahrt brav alle Befehle ohne zu murren befolgte. Ob Navi, Wetter oder Sitzheizung – Google gehorcht und führt aus. Eine gute Entscheidung auf ein System zu setzen, welches sich besonders in der Sprachassistenz seit Jahren bewährt hat.

Dennoch würde ich mich freuen, wenn die Hersteller zumindest wie bei BMW eine programmierbare Haptik-Druckknopf-Leiste installieren würde. So schön es auch ausschaut, blindes agieren ist hier nun mal nicht möglich. Immerhin lässt sich die Lautstärke in der Mittelkonsole noch haptisch bedienen.

Der Touchscreen an sich ist gerade noch so dimensioniert, dass er sich nicht zu dominant in Szene setzt wie man es bei Tesla kennt. Die Bedienführung ist logisch und intuitiv – auch hier könnte Mercedes-Benz sich nochmal Nachhilfe holen.

Allzu viel Zeit zum Testen bleibt mir leider nicht. Zum einen bricht Hamburg an diesen Tag (ach machen wir uns nichts vor – fast jeder verdammte Tag mittlerweile) verkehrstechnisch zusammen zum anderen ist einfach nicht so viel Zeit vorhanden. Dennoch reicht es für einen kleinen – knapp 50 Kilometer langen – Mix aus Autobahn und Stadtverkehr.

Direkt zu Anfang darf ich mich mit dem Polestar durch den Elbtunnel quälen was aber nicht weiter schlimm ist denn so kann ich direkt die Assistenzsysteme testen. Wohlgemerkt handelte es sich hier um ein Vorserienfahrzeug! Trotzdem eigentlich nichts zu beanstanden bis auf die Tatsache, dass der Polestar 2 es wohl nicht mag, wenn die Hände im Stop & Go zu locker am Lenkrad liegen. Dies lässt er aber nicht gelten und meckert auch nach einer ungewohnt kurzen Zeitspanne. Ignoriert man dies geht der Polestar in die Eisen und aktiviert den Warnblinker. Auch mal interessant, aber Volvo war in Sachen Sicherheit schon immer ein bissel mehr Großmutter. Vor Ort wurde allerdings noch bestätigt, dass das System beim finalen Modell nochmal neu kalibriert wird.

Nach dem Elbtunnel heißt es kurz – „Feuer frei“! Und wahrlich, das was der Polestar 2 hier entfacht ist einfach phänomenal. Denn einmal das Gaspedal auf den Boden gedrückt drücken die beiden Elektromotoren das geballte Drehmoment 660 Nm quasi ohne Verzögerung auf den Asphalt. Gegen diese Art der Beschleunigung sehen selbst V8-Drehmoment-Monster-Diesel alt aus – eben weil keine Verzögerung.

Das Fahrwerk in der getesteten Performance-Variante stammt von Öhlins und ist für diese Art von Automobil dann doch deutlich zu straff abgestimmt gewesen. Dagegen ist selbst ein McLaren mit harter Dämpfung ein Softie. Zum Glück lässt sich das Fahrwerk in verschiedenen Stufen komfortabler einstellen. Diese lassen sich nicht per Schalter im Cockpit einstellen, sondern nur über Schraubeneinsatz im Radkasten.

Im vorderen Radkasten lässt sich dies in sechs Stufen selbst machen für die Hinterachse muss der Polestar hingegen aufgebockt werden da man sonst nicht an die Schraube gelangt. Wenn sich mir noch mal die Gelegenheit ergeben sollte den Polestar 2 länger zu testen werden die Schrauben definitiv in Richtung Komfort gedreht. Nennt mich Pussy aber meiner Meinung nach sind die Zeiten bockharter Fahrwerke nicht mehr zeitgemäß es sei denn der Hockenheimring liegt auf der täglichen Brötchenroute.

Bei der Übersicht patzt der Polestar 2 kaum mal abgesehen von der etwas zu mächtig geratenen C-Säule und der, bedingt durch die leider nicht per Knopfdruck einklappbaren Kopfstützen, etwas mäßigen Sicht nach hinten. Aber da haben andere Hersteller schon deutlich mehr Mist gebaut.

Ein besonderes Lob gilt der One-Pedal Abstimmung. Diese gehört in Elektroautos ja mittlerweile schon fast zum Standard aber beim Polestar 2 hat man sich augenscheinlich nochmal wirklich Gedanken zu dem Thema gemacht. Das Pedal kann in verschiedenen Varianten genutzt werden- standardmäßig geht es bei Gasabnahme bis zum Stillstand ohne zu Hilfenahme des Bremspedals. Auch ein „Kriech-Modus“ wie bei regulären Automatik-Verbrennern ist möglich der hier aber irgendwie keinen Spaß macht. Also lassen wir das aus.

Da wo Polestar besonders gute Arbeit geleistet hat, ist die Gasdosierung. So hat das Pedal eine gute analoge Dosierung, die den Schweden nicht sofort wie ein angeschossenes Tier losstürmen lässt. Das ist besonders im Stadtverkehr angenehm. Man kann den Polestar sehr linear und entspannt auf Geschwindigkeit bringen oder aber per Kick-Down die Bestie entfachen. In meinen Augen die bisher beste Kalibrierung was das E-Pedal angeht.

Die elektrische Reichweite wird mit 470 Kilometern angegeben was realistisch wirkt. Muss der Akku dann doch mal an die hoffentlich heilen, nicht belegten und mehr als 11 kW bestückten Ladesäule lässt sich der Polestar 2 laut Hersteller in gut 40 Minuten wieder auf 80 Prozent füllen. Der Basispreis von 57.900 Euro wird dank Umweltprämie, Mehrwersteuersenkung und Innovationsprämie auf 48.540 Euro gedrückt- nicht gerade unattraktiv für einen über 400 PS starken Allradler.

2020 Polestar 2 | Fanaticar Magazin / MarioRoman Pictures

Fazit: Der Polestar 2 hat das Potenzial schnell zum Bestseller zu werden. Polestar war und ist schon immer für besondere Performance bekannt und es war ein kluger Schachzug diesen Namen als Brand für innovative Technik zu nutzen. Somit hat man hier eine Marke die sich nicht wie traditionelle Hersteller zwischen verschiedensten Antriebstechnologien und Kundentreue winden muss. Wer sich für einen Polestar entscheidet, der will ähnlich wie bei Tesla den Weg in eine alternative Zukunft starten. Und mit dem Polestar 2 hat man genau richtig angesetzt.

Fanaticar Magazin | Fotos: Fanaticar Magazin / MarioRoman Pictures