Hamburg nach Berlin und zurück mit einem Elektroauto. Ich habe es mich endlich getraut und ja, ich habe es geschafft. Die Freude am E-Fahren ist aber seitdem drastisch gesunken. Warum? Ein Erklärungsversuch.

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Mein erstes Mal elektrisch fahren war tatsächlich mit einem Tesla Roadster, der damals noch auf einem verlängerten Lotus basierte. Dieses Fahrgefühl war einfach bombastisch. Wie das Drehmoment sich sofort auf der Hinterachse entlud und man nur vom S-Bahn ähnlichen Surren des Elektromotors dabei begleitet wurde, war faszinierend. Aber ja – auch ich hielt es erstmal nur für eine nette Spielerei für besser Betuchte, zumal der Akku nach noch nicht mal 100 Kilometern im Weserbergland schon die weiße Fahne hisste – geil war es trotzdem. Was aus Tesla wurde, ist mittlerweile bekannt – Elon Musk wird für immer der Vorreiter in Sachen Elektromobilität sein. Auch die Japaner – allen voran Toyota mit dem Prius – wussten schon früh, den Wert von elektrischer Unterstützung zu schätzen.

Mittlerweile ist die E-Mobilität mehr als nur ein Lifestyle-Produkt. Na ja, sagen wir es mal so – die Hersteller sind quasi gezwungen, auf diese Technologie zu setzen, um nicht drakonische Strafen für nicht eingehaltene Emissionswerte zu kassieren. Und da der Diesel momentan keinen sonderlich guten Ruf genießt, gibt es nun Elektromobilität satt. BMW hat hier einen sehr guten Start mit dem i3 und i8 hingelegt, aber ist zwischendurch irgendwo falsch abgebogen. Statt den europäischen Markt zu dominieren – und das wäre so gewesen – ist man stattdessen etwa auf Gleichstand mit Audi, Porsche und Mercedes-Benz. Rein vom Gefühl her, haben Audi und Porsche es derzeit wohl am besten verstanden, wie man ein Elektroauto baut und verkauft. Aber das ist Geschmackssache.

2020 Elektrisch Fahren | Fanaticar Magazin
Wir haben es nach Berlin geschafft… aber wie….

Mein Berlin-Trip wurde allerdings von einem Koreaner ermöglicht – genauer gesagt, dem Hyundai Kona E. Der schaut nicht nur gut aus, sondern glänzt mit einer potenziellen Reichweite von bis zu 485 Kilometern (laut Hersteller). Die Presse ist allgemein begeistert vom Kona, die Auto-Bild hat es sogar auf 610 Kilometer gebracht. Ein Wert, den ich zwar nicht bestätigen kann, aber für durchaus vorstellbar halte. Denn von allen bis dato getesteten Elektroautos – Tesla lassen wir mal außen vor – war es der Kona E, der in Sachen Reichweite das meiste Vertrauen erweckt hat. Hamburg nach Berlin – das sind knapp 300 Kilometer Wegstrecke – sollten also eigentlich problemlos machbar sein. Jetzt kommt das Aber.

ABER – ich habe es mir mittlerweile abgewöhnt, auf dieser Welle der Reichweitengeilheit mitzuschwimmen. Ich fahre Elektroautos mittlerweile ganz genauso wie Verbrenner, soll heißen, mit einer vorausschauenden – leicht defensiven – Fahrweise. Ich halte aber nichts davon, mit 80 km/h einem LKW hinterher zu schleichen oder alle Systeme wie Klimaanlage, Sound und Co. abzuschalten, um den letzten Kilometer herauszuquetschen. Es gibt mittlerweile eine große Fangemeinde, darunter auch einige Journalisten, die daran großen Spaß hat – aber dafür habe ich persönlich weder die Zeit noch die Nerven. Aber die Nerven werde ich so oder so noch oft genug verlieren.

Es geht los. Der Akku ist voll geladen, die angegebene Reichweite liegt bei exakt 403 Kilometern. Die Wegstrecke liegt bei 303 Kilometern. Hm…! In der Innenstadt hält der Kona E weitestgehend die Reichweite, da er hier viele Möglichkeiten zum Rekuperieren hat. Das ändert sich schlagartig, sobald wir auf der Autobahn sind, denn hier gilt es, nur im Verkehr mit zufließen. Die Geschwindigkeit liegt immer zwischen 120 und 150 km/h.

Für einen Benziner würde das bedeuten, man bewegt sich in einer faulen Komfort- und Sparzone. Bei E-Fahrzeugen fängt die Batterie schon ab 100 km/h an, die Reichweite Stück für Stück zu reduzieren. Man müsste sich also entscheiden, konsequent als Verkehrshindernis mit 100 km/h rumzudümpeln, sich mit 80 km/h hinter einem LKW im Windschatten zu sonnen oder… …zu LADEN. Oh Gott – dieses verdammte Laden!!!

Natürlich war ich mir darüber bewusst, dass es bei dieser Fahrweise nicht klappen wird, in einem Stück von Hamburg nach Berlin zu fahren, weshalb ich vorsorglich schon einen Halt an der Raststätte Prignitz eingeplant habe. Der Transparenz halber erwähne ich noch, dass dem Pressefahrzeug eine Ladekarte beilag, die so ziemlich alle E-Tankstellen beinhalten soll – Prignitz-West war natürlich davon ausgeschlossen.

Hier kommen wir nämlich zu einem Thema, welches mich schon seit langem auf die Palme bringt. Der Hauptanteil aller E-Ladesäulen lassen sich nicht einfach per Kreditkarte nutzen. Diese Sch…säulen wollen grundsätzlich, dass man sich irgendwo anmeldet, eine App herunterlädt, im besten Fall über die Telefonrechnung bezahlt oder – wie an unserer Station – am liebsten direkt bei E.on einen Vertrag abschließt. Was soll dieser Bullsh.t?

Noch 90 Kilometer an Reichweite und unsere Karte wird nicht akzeptiert. Schön und gut. Lade ich mir also die App von E.on runter, melde mich umständlich an und versuche, via Kreditkarte zu bezahlen. Funktioniert natürlich nicht. Die angegebene Hotline gibt mir zu verstehen, dass sie überfüllt sei und man mich zurückrufen würde. Aha! Mittelfinger in die Höh – ab dafür.

Ein paar Kilometer weiter ist mir bekannt, dass Tesla hier seine Supercharger stehen hat. Einige Videos auf YouTube haben gezeigt, dass manche Charger von Tesla auch Fremdfabrikate zulassen. Hier leider nicht – gut, es war ein Versuch wert. 80 Kilometer Reichweite… Idee: Lass uns nochmal zurück zur Raststätte Prignitz-Ost. Vielleicht ist das ja ein anderer Anbieter. Und nein – es immer noch E.on. Ich beiße bald ins Lenkrad. Mittlerweile ist eine Stunde vergangen und die Hotline hat sich immer noch nicht gemeldet. Also raus mit einer der 5.000 Apps, mit der man sich als E-Fahrer zuspammt und verzweifelt umherschauen kann, was elektrisch noch möglich ist. Richtung Berlin ist die nächste Möglichkeit erst in rund 100 Kilometern – und ich möchte das wirklich nicht ausprobieren.

Die Rettung liegt ein paar Kilometer weiter nördlich in Wittstock, wo Fastned einen Supercharger eingerichtet hat. Mit 55 Kilometern an Reichweite erreiche ich die Ladesäule, die mit bis zu 350 kw/h lädt – ich bin schon halbwegs erleichtert. Aber hey – warum sollte die Ladekarte hier auch funktionieren? Auch hier darf ich mich wieder aufwendig anmelden, aber immerhin funktioniert der Mist dann nach einer Viertelstunde des Einrichtens. Verschwendete Lebenszeit für etwas, das man ganz einfach mit einer simplen Kreditkarte erledigen könnte. Mittlerweile haben wir knapp 2 Stunden nur damit verbracht, eine dämlich Ladesäule zu finden, die auch mal funktioniert.

Das ist erbärmlich für ein Land, das bereits im letzten Jahr eine Million E-Fahrzeuge auf den Straßen haben wollte. Wie zum Teufel soll das mit dieser Infrastruktur funktionieren?  Sollen alle E-Fahrzeuge dann Schlange stehen, bis das jeweilige Fahrzeug nach quälend langen 40 bis 50 Minuten zu 80 % geladen ist? Und das ist relativ unabhängig, denn Schnellader mit über 50 kW/h an Power auf der Leitung sind Mangelware, weshalb auch ein Taycan mit dessen High-Speed-Lademöglichkeit hier keinen Vorteil hätte. Wer hat es besser gemacht? Tesla!

Immerhin versuchen Aral und Shell hier gerade die Infastruktur ein wenig besser in den Griff zu bekommen. Und bitte schiebt nicht die Schuld auf die Hersteller, liebe Politiker – die geben sich alle Mühe, um Euer undurchdachtes und forciertes Produkt schmackhaft für den Massenmarkt zu machen.

Zurück zu unserem Supercharger. Ich bin langsam der Überzeugung, dass E-Fahren mich fett machen würde, denn um die Zeit totzuschlagen, bleibt einem ja nicht sehr viel übrig, außer beim Autobahn-Fast-Food-Restaurant seinen Frust reinzufressen. Der hebt sich nochmals, als ich wiederkomme und den Kona E nach einer halben Stunde wieder von der Leine lasse. Mittlerweile wieder bei 65 Prozent Akku angekommen, wird mir eine Reichweite von 220 Kilometer angezeigt.

Für potenzielle 175 Mehr-Kilometer werden mir sage und schreibe 16,- Euro von der Kreditkarte abgezogen. Wo genau war da noch mal der Vorteil gegenüber einem Diesel? Ich bin noch nicht mal in Berlin angekommen – und schon frustriert.

Das Ziel erreichen wir dann schlussendlich doch noch – nach knapp 6 Stunden. Ich hatte mit Laden vier Stunden einkalkuliert, ohne Laden und besonders defensivem Fahren wäre es wohl auch in etwa das gleiche Ergebnis gewesen. Bei gleicher Fahrweise bin ich allerdings in einem Benziner oder Diesel allerdings schon eine Stunde früher da – und habe in den meisten Fällen sogar noch genug Sprit für die Rückfahrt übrig. Nachhaltigkeit hin, Nachhaltigkeit her – meine Lebenszeit möchte ich nicht primär mit dem Warten auf Raststätten verbringen.

In Berlin lockert sich die Situation mit den Ladesäulen spürbar. Jedenfalls denke ich das, als ich eine der vielen Ladesäulen ansteuere. Supercharger sind aber auch hier Mangelware – 22 kW/h gehören hier – wie in Hamburg – zur Elite. Wenn sie dann mal mit 22 kW/h laden würden. Eine Ladeanzeige präsentiert in den meisten Fällen gerade mal 7 bis 10 kW/h, unabhängig vom Auto. Cool und ausreichend für einen Plug-In-Hybrid – uncool für ein reines Elektroauto. Dazu kommen noch weitere Probleme. Berlin ist dem Carsharing verfallen und gefühlt jede zweite Säule ist von eben so einem Gefährt blockiert. Dann kommen noch die dazu, die nicht kompatibel sind – und die vielen Ladesäulen, die außer Betrieb sind. Ganz ehrlich – das Lenkrad habe ich vor lauter Frust  schon bald durchgenagt .

Mein persönliches Fazit nach einem Wochenende in Berlin. Elektrische Autos sind noch lange nicht bereit, um wirklich jedem Fahrprofil zu entsprechen. Und damit meine ich nicht nur die Langstreckenfahrer, sondern auch die Wochenfahrer, die gerne mal spontan einen Ausflug aufs Land machen. Denn auch hier gilt – je mehr Einöde, desto weniger Strom. Man wird quasi dazu gezwungen, sich in seinem Reichweitenbereich umzuschauen, was es je nach Modell extrem einschränkt.

Auch wer nur einen kleinen Stadtflitzer vom Format eines Opel Corsa E für sich haben will, sollte möglichst eine Tiefgarage mit Stromanschluss parat haben – nur so lässt sich Geld sparen. Das wahre Potential liegt in meinen Augen beim Gewerbe. Große Handwerkerbetriebe haben eine ausreichende Logistik, liegen exakt im Reichweitenbereich und von einem Transporter erwartet man keine dynamischen Fahrleistungen.

Ich möchte aber nicht die ganze Zeit rumheulen, wie doof die E-Fahrerei doch ist. Elektrisch fahren, das finde ich vom Prinzip her toll – aber massentauglich ist es noch lange nicht – und das wird auch erstmal so bleiben. Derzeit macht eigentlich nur ein Hybrid-Modell wirklich Sinn, wenn man flexibel bleiben möchte.

Wenn ihr nun glaubt, das war eine einmalige Verkettung doofer Ereignisse dann irrt ihr Euch leider. Es ist Standard. Schade…. Und ich finde den Kona wirklich klasse: Besonders, wenn man bedenkt, welches gute Preis-Leistungsverhältnis hier angeboten wird. Elektronisches Fahren entschleunigt mich, entspannt mich – bis ich die nächste Ladesäule suche. Dann gibt es wieder Hulk auf Abruf.

Fanaticar Magazin | Fotos: Fanaticar Magazin / marioroman pictures

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