Hyundai kann Elektroautos, das ist hinlänglich bekannt. Doch mit dem 650 PS starken Ioniq 5 N schaffen es die Koreaner tatsächlich, wenn auch widerwillig, Respekt aus der Petrolheads-Fraktion einzuholen.
Während sich der Großteil der Autohersteller immer noch mit teils hoffnungslos veralteter Technik herumschleppt, hat Hyundai mit dem Ioniq 5 direkt von Beginn an ordentliche Backpfeifen verteilt. 800-Volt-Technik, Ladegeschwindigkeiten von über 200 kW, flexibler Innenraum – und wem das kantige 80s-Design nicht gefällt, der greift konzernintern halt auf den Kia EV6 oder ganz edel auf den Genesis GV60 zu.
Mit der N-Variante hat sich Hyundai aber ganz bewusst viel Zeit gelassen. Denn Kraft nach vorn ist für die meisten Hersteller mittlerweile reproduzierbar, doch ein N soll auch in der Querdynamik punkten. Um das auszutesten, lud uns Hyundai zur Driving Experience in Sölden ein. Gleich in die Extreme, das ist der Weg.
Hyundai Ioniq 5 N: Der erste Eindruck
Optisch wurde an der N-Variante noch einmal deutlich Feinschliff im Hinblick auf Aerodynamik und Kühlung betrieben. Dem grandiosen 80s Look, der auch an den legendären Hyundai Pony erinnern soll, hat das nicht geschadet. Das gilt auch für den sauber verarbeiteten Innenraum, der vom gerade erst vorgestellten Facelift profitiert. Die Sportsitze bieten viel Seitenhalt und das Lenkrad liegt gut in der Hand. Und auch wenn Genesis eigentlich für den Premium-Part zuständig ist, auch Hyundai selbst braucht und will sich in Sachen Qualitätsanmutung als auch Haptik nicht vor europäischen Mitbewerbern verstecken. Zu Recht.
Bis zu 650 PS im GRIN(se)- Modus
Doch kommen wir erst einmal zu den technischen Details des Hyundai Ioniq 5 N. Auf der Vorderachse kommt ein Elektromotor mit 226 PS / 166 kW zum Einsatz auf der Hinterachse gibt es sogar 383 PS (282 kW). In Kombination stehen hier also besagte 609 PS (448 kW) parat. Schon damit werden die beiden Top-Schwestermodelle direkt in den Schatten gestellt.
Wer die Grinse- , sorry, Grin-Taste drückt, erhöht die Schubkraft für zehn Sekunden auf glatte 650 PS (478 kW). Der Sprint auf von 0 auf 100 km/h ist somit in 3,5 Sekunden pulverisiert. Das Drehmoment von 770 Nm drückt die Passagiere in die bequemen Sportsitze und die Freude am Vorwärtsdrang wird erst bei 260 km/h gezügelt.
Variabler Allradantrieb und Drift-Modus inklusive
Auch beim Drehmoment gibt man sich mit dem Hyundai Ioniq 5 N keine Blöße und malträtiert die Pneus mit bis zu 740 Nm (770 Nm- Grin Boost). Hier leistet das Allradsystem erstklassige Arbeit und setzt die quasi sofort anstehende Leistung direkt in Vortrieb um. Auch lässt sich die Kraftverteilung manuell anpassen. Wer also möchte, bekommt bis zu 100 Prozent Power auf die Hinterachse. Doch, wenn Hyundai einen N-Badge ans Heck klebt, muss auch die Querperformanz stimmen.
Und so war viel Ingenieursarbeit gefragt um die geballte Macht von 2,3 Tonnen Nordschleifen tauglich zu machen. Die Vorgabe: Mindestens zwei Runden unter Volllast zu bestehen. Dafür wurde unter anderem in eine verbesserte Kühlung, einem strafferen adaptiven Fahrwerk und natürlich auch in die Aerodynamik investiert. Die Kühlung erbringt je nach Modi Höchstleistungen, um die Batterie auf dem richtigen Level zu halten. Im Race-Modus bleibt die Batterie im Wohlfühlbereich zwischen 20 und 30 Grad, soll mindestens zwei Runden auf der Nordschleife von unter 8 Minuten packen. Klingt erst einmal nach nicht viel, ist ingenieurstechnisch aber eine große Leistung und ist derzeit sonst nur im Bereich von Porsche zu finden.
Driving Experience: Kontrollierter Grenzbereich
Auch sonst sorgt Hyundai mit einer Vielzahl an Optionen für viel Experimentierfreudigkeit. Sehr interessant ist auch ein Drift-Optimizer der Anfängern in Sachen Quertreiberei unterstützend zur Verfügung steht. Mal abgesehen von den 260 km/h Topspeed konnten wir alle diese nerdigen Features im Rahmen der Hyundai Winter Driving Experience in Sölden ausgiebig testen.
Unter der Anleitung professioneller Instruktoren galt es, die Grenzen des Koreaners auszuloten. Kurz gesagt, die Grenzen sind lang ausgelegt und eher hinter dem Fahrenden hinter dem Volant als beim Fahrzeug selbst auszumachen. Der Hyundai Ioniq 5 lässt sich so individuell konfigurieren, dass ein sonniger Tag in den Alpen kaum ausreicht, um alles voll auszukosten.
Gamechanger | Das simulierte Getriebe
Ein im Internet regelmäßig erwähnter Kritikpunkt ist die Möglichkeit eines simulierten Getriebes. Erscheint zunächst sinnlos, hat aber seinen Reiz und hilft einem, das geballte Drehmoment in Bereiche zu zügeln, wie man sie aus Verbrennerzeiten kennt. Denn tatsächlich verführt die lineare elektrische Kraftentfaltung zu Geschwindigkeitssphähren, die man aufgrund der Laufruhe nicht als so vehement wahrnimmt.
Kein Grummeln, kein Vibrieren, kein akustisches Feedback, das kann gerade zu Anfang verwirrend sein. Und genau dafür ist eben dieser Modus gemacht. Und man merkt sehr genau, dass alte Hasen am Start waren, die die Schaltvorgänge erstaunlich akkurat aus der mechanischen Welt übernommen haben. Ob es dazu einen, freundlicherweise abschaltbaren, Verbrennersound braucht, ist Auslegungssache.
Was uns am Ende zum Einstiegspreis von 74.900 EUR bringt. Der lässt einem natürlich nach Luft ringen, erscheint aber angemessen für das Gesamtpackage. Denn der Hyundai Ioniq 5 N kommt mit der „vollen Hütte“. Der Kunde kann lediglich zwischen Farbe, Sitz-Paket (1.500 EUR) und Panorama Glasdach (1.300 EUR) wählen. Verarbeitung und Qualitätsanmutung sind dabei Außen wie auch innen absolut auf europäischem Premiumniveau angelangt. Selbst in Relation zu einem gleichwertigen Verbrenner ist das also ein fairer Deal.
Zum Alltagsverhalten des Hyundai Ioniq 5 N gibt es tatsächlich nicht viel zu sagen, denn dazu gab es keine Gelegenheit. Aber wahrlich dürfte sich dieses bis auf den Zusatz von mehr Leistung und strafferer Straßenlage wohl kaum negativ im Gegensatz zum regulären Ioniq 5 ausgewirkt haben.
Fazit: Viel Performance für faires Geld
Der Hyundai Ioniq 5 N zeigt eindrucksvoll, wie viel Potenzial in der Elektromobilität steckt. Aber natürlich ist ersichtlich, dass gerade mal zwei potenzielle Runden Volllast auf der Nordschleife noch viel Arbeit bedeuten, um reinrassige Petrolheads zu begeistern. Tatsächlich dürfte der Ioniq 5 N trotz dieser Fähigkeiten im Gegensatz zum i30 N wohl eher seltener auf der Rennstrecke anzutreffen sein.
Aber die Tatsache, dass man jederzeit könnte, ist verlockend. Man kann sich grummelnd hinter der ausgereiften Verbrenner-Technologie verstecken oder man traut sich einfach auch neue Wege der Automobilität zu gehen. Hyundai traut sich.
Technische Daten Hyundai Ioniq 5 N (2024):
- Leistung: 609 PS (448 kW) regulär, 650 PS (478 kW) mit Grin-Boost
- Drehmoment: 740 Nm (770 Nm mit Grin-Boost)
- Beschleunigung: 0–100 km/h in 3,5 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h
- Batterie: 84 kWh
- Reichweite: bis zu 481 km (WLTP)
- Reichweite innerorts bis zu 589 km
- Preis: ab 74.900 EUR
Fanaticar Magazin | Fotos: MarioRoman Pictures