Vor zwanzig Jahren wurden Golf GTI-Kultisten auf eine harte Probe gestellt. Denn der Golf IV R32 markierte fortan das Alpha-Tier in seinem Segment. Und auch zwanzig Jahre später hat der Ober-Golf nichts von seinem Charme verloren.
Inhalt
Tatsächlich ist das aber nicht ganz richtig, denn die Demütigung des GTI begann schon 1991 in der dritten Generation mit dem Golf 3 VR6, der anfangs mit 174 PS und ab 1994 sogar mit 190 PS angeboten wurde. Insofern feierte der Golf R eigentlich aus Nerd-Sicht nicht sein zwanzigstes Jubiläum, denn eigentlich hat er schon die 30 geknackt. Der Unterschied lag nur in der Tatsache, dass der Golf 3 VR6 nicht als Performancemodell angedacht war, sondern als laufruhige Komfortvariante. Erst in der vierten Generation präsentierte er sich als Rennstreckenfreund und folgerichtig als erster echter R.
Der VR6 war ein echtes Sahnestück
Und damit kommen wir auch schon zum eigentlichen Juwel des ursprünglichen Golf R- dem VR6. Dieser durfte leider nur bis Generation Fünf unter der Haube pochen und brachte eine unverkennbare Soundnote auf den Asphalt. Auch die Saugercharakteristik des mit 3,2 Liter Hubraum bestückten Aggregats war eine wahre Freude. Dank serienmäßigen Allrad waren dem straff gefederten und 241 PS starken Wolfsburger Traktionsprobleme fremd. Wie schon beim GTI blieben viele Exemplare nicht original. Besonders gerne wurden verschiedene Turbo-Stufen verbaut, die den R32 in ganz andere Leistungssphären brachte. HGP-Turbo bietet bis heute mehre Kits an, die die Leistung auf bis zu 542 PS (398 kW) und 710 Nm pushen. Laut Hersteller rennt der Biturbo R32 dann bis zu 326 km/h schnell.
Bedauerlicherweise hat sich Volkswagen jedoch ab der Generation 6 dazu entschlossen, den VR6 gegen einen aufgeladenen Zweiliter-Reihenvierzylinder zu ersetzen. Rein vom Konzept natürlich die bessere Entscheidung, da es den Golf weniger kopflastig machte und ein besseres Gewichtsverhältnis erzielt wurde. Doch vulkanische Logik ist nicht immer mit menschlicher Emotion kompatibel. Trotz vieler Nachteile ist der VR6 bis heute ein robustes Sahnestück aus Wolfsburg, dem man die eine oder andere Träne nachweinen darf.
Sportliche Optik
Zum runden Jubiläum bekam der Golf R in seiner neusten Generation eine besondere Edition verpasst. Tatsächlich gab man sich viel Mühe, um den Serien-Golf einen besonders sportlichen Schliff zu verpassen. So wurde die Frontstoßstange optimiert und in den Radkästen schlummern spezielle 19-Zoll-Felgen, die auf Wunsch mit Sportpneus bestückt werden können. Wer möchte, gönnt sich die empfehlenswerten LED-Matrix-Scheinwerfer und leuchtet damit die Straße in jeder Situation perfekt aus.
Auch im Heck kommt LED-Technik zum Einsatz. Ein Heckspoiler sorgt für eine optimale Aerodynamik und zwischen den vier Endrohren lugt ein Diffusor hervor. Ob man sich die R-Performance-Abgasanlage für satte 4.180 Euro leisten möchte, darf jedem selbst überlassen sein. Persönlich finde ich, dass Akrapovi? es hier nicht geschafft hat, einen besonderen Sound zu generieren. Nur unter Höchstleistung kommt die eine oder andere nette Note hervor, im Alltag neigt der Sound teilweise sogar dazu zu nerven. Das haben andere Hersteller wie Hyundai mit dem i30 N deutlich besser hinbekommen. Aber wie zuvor erwähnt, hier entscheidet der persönliche Geschmack.
VW Golf R 20 Years – 333 wilde Jubiläums Pferde
Unter der Haube entlockt Volkswagen dem Vierzylinder-Turbo in der Jubiläums-Variante satte 333 PS (245 kW). Für die Sortierung der Gänge ist hierzulande ein 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe verantwortlich. Die Freude am manuellen Sortieren der Gänge ist hingegen nur noch den Amerikanern vergönnt, die den Golf R auch mit Sechs-Gang-Handschaltung ordern dürfen. Wir Europäer sind anscheinend ein extrem schaltfaules Volk geworden. Selbst schuld.
Regulär mit den Modi Comfort, Sport und Race ausgestattet gönnt Volkswagen der Edition 20 Years serienmäßig das R-Performance-Paket mit den zusätzlichen Modi „Drift und Nürburgring. Besonders letzter überzeugt durch eine hervorragende Abstimmung beim Fahrwerk und lädt auch für die eine oder andere flotte Landstraßentour ein, da das Fahrwerk hier sehr ausgewogen kalibriert wurde.
So oder so gehen bis zu 420 Nm vom Getriebe in Richtung der 19-Zoll-Pneus. Der Sprint von 0 auf 100 km/h gelingt so in gerade mal 4,6 Sekunden, also noch einmal 0,1 Sekunden schneller als die reguläre R-Version mit 320 PS. Die Vmax wird erst ab 270 km/h begrenzt und das optionale adaptive Fahrwerk ist dabei so gut abgestimmt, dass der Obergolf sich selbst in diesen Regionen lässig fährt.
Dann aber hält der Golf R 20 nichts mehr von Effizienz und gurgelt die 55 Liter im Tank wie im Rausch durch die benzindurchtränkten Leitungen. Tatsächlich ist der Golf R 20 nicht der stärkste angebotene R, denn bereits 2016 brachte Volkswagen in Kooperation mit ABT eine auf 220 Exemplare limitierte Variante mit 360 PS auf den Markt. Der Golf R360S wurde allerdings nur exklusiv in der Schweiz angeboten.
Brutaler Vortrieb – Absolute Alltagstauglichkeit
In der Realität angekommen, gönnt man sich den Comfort-Modus. Träger, aber deutlich effizienter sind hier teilweise Verbräuche um die 7 Liter drin gewesen. Der Innenraum profitiert von der Basis und ist extrem durchdacht. Der Kofferraum schluckt bei Bedarf 341 bis 1.197 Liter und die Performance Sitze gehören, zu dem besten, was der Markt zu bieten hat. Schade nur, dass Volkswagen nach wie vor stur auf die ablenkende Only-Touch-Funktion setzt. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Autoindustrie hier noch einmal nachdenkt, ob das der richtige Weg ist.
Mal abgesehen von dem Infotainment ist der Innenraum sauber verarbeitet und die Materialauswahl gut gewählt. Tatsächlich darf der Golf R „20 Years“ erstmals in einem Volkswagen Dekoreinlagen aus echtem Carbon tragen. Dazu gibt es noch ein 20 R Logo auf der B-Säule und eine 20 R Projektion in den Außenspiegeln. Bei den Außenfarben bleibt man leider bei Schwarz, Blau und Weiß. Beim GTI darf immerhin aus zehn Farben gewählt werden. Aber in Zeiten von Folierungen ist das ohnehin das kleinste Problem.
Fazit: Der Volkswagen Golf R 20 ist bissiger denn je und vielleicht auch die letzte Möglichkeit einen R ohne Zusatzelektrifizierungen erleben zu dürfen. Die Chance auf das Sondermodell ist limitiert, denn die Bauzeit ist auf ein Jahr beschränkt. Viel besser kann man den Golf R gar nicht zelebrieren.
TECHNISCHE DATEN Volkswagen Golf 8 R „20 Years“
Motor: Zweiliter-Turbo-Vierzylinder
Leistung: 333 PS (245 kW)
Drehmoment: 420 Nm bei 2.100 – 5.500 U/min
Antrieb: Allrad, 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe DSG
Verbrauch kombiniert: 8,2 l/100 km
CO2-Emissionen kombiniert: 184 g/km²
Beschleunigung (0 – 100 km/h): 4,6 s
Höchstgeschwindigkeit: optional 270 km/h
Abmessungen (L/B/H): 4.290 mm / 2.073 mm /1.451 mm
Gewicht: 1.555 kg
Maximale Zuladung: 475 Kilogramm
Dachlast: 75
Tankvolumen: ca. 55 l
Grundpreis: ab 61.980 Euro
Fanaticar Magazin | Fotos: MarioRoman Pictures