Es gibt nicht viele Automobile von Volkswagen, denen man schon auf den ersten Blick Emotionen zutrauen würden. Klar, einen gewissen Schick haben sie alle. Klassisch elegant – harmonisch in der Menge untergehend. So könnte man das Design eines typischen Volkswagens beschreiben. Und doch gibt es hier und da mal eine Modellreihe, die aus dem Rahmen fällt. Wie zum Beispiel der VW Scirocco R.
Schon die Front lässt Unheil vermuten. Der ohnehin schon sportliche Coupé-Auftritt des Scirocco wurde in der R-Variante noch mal kräftig nachgeschärft. Stoßfänger in Motorsportoptik, ein schwarzer Kühlergrill mit R-Logo, schwarze Außenspiegel und Bi-Xenon-Scheinwerfer sorgen für den passenden Auftritt im Rückspiegel. Was dann vorbeizieht, kommt serienmäßig auf 18-Zoll-Pneus und Schwellerverbreiterung daher. Ist der Überholvorgang abgeschlossen, darf sich der unterlegene Gegner noch an den abgedunkelten Rücklichtern, den verchromten Endrohren links und rechts und den mittig angesetzten Diffusor erfreuen. Kurz: Der Scirocco R ist ein optischer Leckerbissen.
Einsteigen und wohlfühlen. Der Innenraum ist ohne Fehl und Tadel. Geschmeidige Sportsitze mit großzügigen Seitenwangen sorgen für den richtigen Halt auf der vorderen Sitzreihe. Die Tachoinstrumente sind problemlos ablesbar und das Navi erklärt sich praktisch von selbst. Für Individualisierung sorgen einige R-spezifische Features wie zum Beispiel Dekoreinlagen und Einstiegsleisten in Aluminium, Drei-Speichen-Multifunktionslederlenkrad, beheizbare Vordersitze oder auch Pedale in Edelstahl.
Erstaunlicherweise hat die Rundumsicht nicht so sehr gelitten, wie man von außen vermuten mag. Der Rest wird von den praktischen Parksensoren erledigt. Die hintere Sitzbank ist so gestaltet, wie man es von einem Sport-Coupé erwartet: unbequem mit wenig Kopfhöhe. Für den Stadttrip zu viert ausreichend ansonsten lässt man hier nur Menschen sitzen, die man insgeheim schon immer mal richtig böse quälen wollte. Immerhin bietet der Kofferraum jede Menge Platz. Einem langen Trip zu zweit steht also nichts im Wege.
Doch wenn ein VW mit dem R Emblem umherwedelt dann möchte er mehr als nur schick ausschauen. Unter der Haube wütet nämlich ein rassiger Zweiliter-Vierzylinder. Dank satter Turboaufladung generiert der Scirocco R so 265 Pferde. Aber – im Gegensatz zum Golf R – darf der Rocco nicht auf allen Vieren voran preschen. Stattdessen wird das geballte maximale Drehmoment von 350 Newtonmetern auf die Vorderachse gedrückt. Kann das gut gehen? Besonders in kalten Wintermonaten wie sie derzeit in Deutschland hausieren?
Jein! Der platt gedrückte Golf Ableger hat ein großes Problem: Ihm fehlt ein Mechanisches Sperrdifferenzial. VW schwört hier auf eine elektronische Variante namens XDS. Auf trockener Straße und mit geübtem Gasfuß mag das noch einigermaßen funktionieren. Unter optimalen Bedingungen geht es dann in nur 6 Sekunden (DSG: 5,8) von 0 auf 100 km/h. – Schluss ist erst bei 250 km/h. Auf nasser Straße oder gar bei Schnee und Glatteis verpufft sämtliche Leistung in einer Mischung aus zu viel Drehmoment und dem rigorosen regeln der nicht abschaltbaren Elektronik. Und wir reden hier nur über die Längsdynamik. Wie es besser geht, hat uns kürzlich Opel mit dem Astra OPC bewiesen.
Auf kurvigen Straßen graut es dem sportlich ambitionierten Fahrer. Nervige Schieberein über die Vorderachse gehören zum Alltag. Um einigermaßen flott voranzukommen, bedarf es eines sehr behutsamen Gasfußes und der absoluten Ideallinie. Sehr schade denn das Fahrwerk an sich ist durchaus in der Lage sich größeren Herausforderungen zu stellen.
Per Knopfdruck in der Mittelkonsole wählt der Fahrer zwischen einer komfortablen oder sportlichen Dämpfung. Der Unterschied ist dabei deutlich zu spüren. Auch das Lenkrad bringt ein gutes Feedback in Richtung Fahrer. Leider betrifft das auch die Lenkeinflüsse, wenn die Vorderachse wieder kräftig am Asphalt zerrt.
Fazit: Der Volkswagen Scirocco R hat etwas von einer Eier legenden Wollmilchsau. In allem gut aber irgendwie doch nicht konsequent genug. Für den Scirocco R sprechen die Optik, das für Langstrecken ordentlich abgestimmte Fahrwerk und die Top Verarbeitung.
Freunde des Rennsports werden aus zwei Gründen ihre Probleme mit dem Scirocco R haben. Zum einen stimmt es ärgerlich ,dass in einem als Top-Performance geworbenen Modell die Elektronik nicht abschaltbar ist. Zum anderen sorgt das fehlende Sperrdifferenzial gerade bei schlechtem Wetter für viel Frust. Hier heißt es für VW – schnell handeln! Die Konkurrenz hat nicht geschlafen und bietet interessante Alternativen.
Wer den Scirocco R sportlich ums Eck pfeffern möchte und ihn auch bei Wind und Wetter aus der Garage entlassen möchte wird hier schnell an die Grenzen des kompakten Sportlers stoßen. Immerhin scheint VW dazugelernt zu haben. Im neuen Golf VII GTI wird ab sofort optional ein mechanisches Sperrdifferenzial angeboten. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis die Wolfsburger sich dazu überwinden diesen Schritt auch beim Scirocco R zu gehen.
Credits:
Text: Mario-Roman Lambrecht
Fotos: marioroman pictures
Technische Daten Volkswagen Scirocco R
Motor | R4-Turbo |
Getriebe | 6-Gang |
Leistung | 195 kW/ 265 PS |
Hubraum | 1.994 ccm |
Emissionsklasse | Euro 5 |
Verbrauch | 8,1 l auf 100 km |
Co2 Emissionen | 189 g |
Beschleunigung 0 auf 100 km/h | 6,0 s |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Gewicht | 1.419 kg |
maximale Zuladung | 426 kg |
Preis | ab 35.425,00 Euro |
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