Es hat sich viel geändert in der Automobilwelt. Sportwagen sind nicht mehr die Könige der Autobahn. Ein Audi A6 3.0 TDI Avant Fahrer beißt bei Tempo 250 km/h noch einmal genüsslich in sein Croissant, während der Boxster S Fahrer vor ihm versucht, Contenance zu wahren, weil er besagten Pamberbomber nicht aus dem Rückspiegel bekommt.
Die Verhältnisse ändern sich aber radikal, wenn der Asphalt sich krümmt. Kurven und Windungen – das ist es, was ein Sportwagen liebt. Ich hatte die Tage zwei dieser kleinen, gemeinen Viecher in der Garage parat. Und auch wenn mein Geldbeutel aufgrund des dezenten Benzinschluckens gelitten hat – es waren ein paar wunderbare Tage mit dem Audi TTRS Roadster und dem Mitsubishi Lancer EVO X!!!
Da stehen sie nun! Der Eine hübsch und adrett, der Andere eher schnodderig lässig. Doch beide haben sie besondere Gene in sich – die des Rallyesports. Und weil die beiden nun zuuuuufälligerweise zeitgleich in der Testwagengarage standen, kam die Idee – warum nicht mal eine kleine Gegenüberstellung? Die Optik der Zwei könnte unterschiedlicher nicht sein.
Während der TTRS und seine schnörkellos schöne Linienführung zu verzückten Kommentaren aus der Damenwelt führt, gibt es beim EVO meist nur ein „Ääääääääähaaaa“ – gefolgt von einem “muss ich mich da jetzt wirklich reinsetzen“? Dafür gibt es ne Menge nach oben gestreckter Daumen von jungen Kerlen, die sich nach der riesigen Pommestheke auf dem Kofferraumdeckel geradezu verzehren. Aaaaaber!!!
Wälzt man den kleinen Evo ein wenig im Schlamm, macht ihn so richtig schmutzig, also so richtig schmutzig, so dass der Schlamm bis an die Seitenscheiben spritzt, ändert sich das Blatt. Diese Art der kreativen Lackmalerei sorgt für eine Aufmerksamkeit sondergleichen. Der dahinter fahrende TTRS ? Wurde als Statist degradiert.
Die Interieur der beiden könnte unterschiedlicher nicht sein. Während der Evo eher auf das Nötigste beschränkt ist, glänzt der TTRS mit einer grandiosen Haptik. Selbst die hartgesottenen EVO Fans und Besitzer im Fankreis mussten dies neidlos anerkennen. Immerhin gibt es grandiose Recaro Sportsitze für Fahrer und Beifahrer und auch die Beinfreiheit auf der Rückbank fällt verhältnismäßig üppig aus.
Schlamm, Matsch und Dreck. Ja das sind Dinge, die der EVO aus tiefsten Herzen liebt. Untergründe, die das ESP der meisten Alltagsautos wohl zum kollabieren bringen würden, machen auch die zehnte Generation des Lancer Evolution richtig heiß. Selbst mir regulärer Straßenbereifung wühlt sich der Japaner – wie von einer Biene gestochen – selbst durch feinen Sand. Verschiedene Allradprogramme unterstützen das System noch dabei. Hier macht ihm keiner was vor, das ist sein Gebiet.
Das soll nicht heißen, dass der TTRS mit seinem quattro System nicht auch das Potential hätte, sich durch den Schlamm zu wühlen. Doch schon das seichte Gelände, was wir zum Spielen mit dem EVO genutzt haben, hätte den Ingolstädter schon alleine aufgrund seiner Höhe wohl ins Schwanken gebracht. Das sich das System aber sehr wohl für den Rallye Einsatz nutzen lässt, beweist die Rallye Variante von Engelberg.
Rallye ist das Stichwort. Der Mitsubishi Lancer Evolution spricht eine Sprache für sich. Er ist auf einer Ebene mit Rallye Legenden wie dem Subaru WRX STI, Lancia Delta Integrale oder auch Toyota Celica GT-Four. Der Lancer Evolution feierte weltweit große Erfolge im Rallyesport und ist bis heute eine der meistgenutzten Fahrzeuge im Kundensport. Leider ist ihm in der zehnten Generation ein wenig das Gift abhandengekommen. Galt schon der IX als Kompromiss unter den Fans, hat sich die zehnte Generation noch weiter vom puristischen Grundgedanken entfernt.
Zum Vergleich: Der 280 PS starke EVO VI schnellte noch in 4,9 Sekunden von auf 100 km/h, die aktuelle Generation packt dies trotz einer Mehrleistung von immerhin 15 PS nur noch in 5,4 Sekunden. Von den 6,3 Sekunden mit dem DSG Getriebe wollen wir gar nicht erst reden. 200 Kilogramm an Mehrgewicht lassen sich einfach nicht wegzaubern. Trotzdem verrichtet der 2.0 Vierzylinder Turbo Motor der zehnten Generation einen souveränen Job. Wenn er dann mal am Turbosaft nippelt, dann gibt es auch deftig Zunder auf die Antriebswelle. Hält man ihn dann bei Laune, gibt es kaum einen Gegner, der ihm wirklich gefährlich werden könnte. Dafür sorgt auch das ausgesprochen ausgewogene Fahrwerk.
Von offizieller Seite kommt der TTRS nicht zum Rallye-Einsatz. Seine DNS beweist aber, dass er es könnte. Fünf Zylinder, Turbo, quattro – na, an was erinnert das? Richtig!!! An den legendären Audi Sport quattro S1 von 1985. Den gab es übrigens auch mit einem Doppelkupplungsgetriebe, welches den 390 kW/530 PS starken S1 in nur 2,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h sprinten ließ. Lediglich 20 Exemplare wurden produziert. Der berühmteste dürfte bis heute das “Flügelmonster” S1 Pikes Peak sein.
Kein Geringerer als Rallye Legende Walter Röhrl flog damit die anspruchsvolle Strecke am Pikes Peak hoch und stellt dazu noch ganz lässig den Streckenrekord auf. Bis heute hat Audi sich nicht an einen echten Nachfolger getraut. Es war mal geplant, eine Kleinserie auf Basis des A5 auf die Beine zu stellen, aber dieses Projekt wurde wohl leider wieder zu den Akten gelegt. Sehr schade, denn ich durfte mich damals mit einem der Prototypen auf dem Audi Werksgelände vergnügen.
Wenn man es also genau nimmt, dann ist der TTRS also derzeit der einzig legitime Sportwagen im Fuhrpark der Ingolstädter, der noch an die alten Traditionen knüpft. Und schon allein diese Tatsache macht ihn umso begehrenswerter.Im Grenzbereich weisen beide besondere Spezialitäten auf. Der Mitsubishi wird spürbar hecklastiger, während der TTRS mit aller Macht versucht, Traktion beizubehalten – zur Not sogar, bis die Vorderräder über den Asphalt schrubben. Spielfreudig wird der TTRS erst, wenn es feucht wird. Der Grad des Spaßfaktors hängt vom jeweiligen ESP Modus ab.
Der ESP Sport Modus ist wirklich exzellent abgestimmt. Wer sich halbwegs an die Ideallinie hält, wird hiermit glücklich werden. Aber auch ein komplettes Deaktivieren der Elektronik ist möglich, dann lässt sich der TTRS auch zum Power Slide animieren – zwar mit etwas Nachdruck, aber es funktioniert. Grundsätzlich kann man sagen, sie sind beide verdammt schnell und extrem kurvengeil. Und jetzt kommt, das Hätte! Hätte der EVO X die deutlich gefühlvollere Lenkung des TTRS, wäre er eine perfekte Waffe für die Straße. Das Gleiche gilt für den Audi. Hätte der TTRS ein hecklastiger abgestimmtes Allradsystem samt optimierten Fahrwerk, könnte er noch schneller um die Kurven wieseln. Hätte, Hätte, Fahrradkette!!!
Eine Frage stellte sich mich im Testverlauf ganz besonders. Für die grandiose Handschaltervariante muss ich 41.990 Euro auf den Tisch legen. Dafür gibt es Fahrspaß pur – darauf ist Verlass. Aber nun hat der Kunde auch die Option, sich den Evo mit einem automatischen Sechsgang-DSG-Getriebe zu ordern. Für schlappe 8.000 Euro Aufpreis bekommt der Kunde dann ein recht altbacken wirkendes Getriebe und eine ganze Sekunde weniger Sprintvermögen von 0 auf 100 km/h auf die Backe gedrückt. Hier und da blinkt dann im normalen Modus ein ECO Zeichen auf. Einfach nicht beachten – saufen tut der EVO trotzdem wie Sau! Auch die Varianten Sport und Super Sport kommen einfach nicht an den Level ran, den die handgeschaltete Variante zu bieten hat.
Auch der TTRS bietet optional ein DSG-Getriebe an. Das kostet nur 2000 Euro Aufpreis, sorgt für einen halben Liter weniger an Verbrauch und ist sogar 0,3 Sekunden schneller im Sprint. Aber auch der TTRS bringt in der handgeschalteten Variante deutlich mehr Spaß. Das manuelle Sechsganggetriebe ist einfach grandios übersetzt. Worauf ich hinaus will: VW hat es drauf in Sachen DSG, Mitsubishi leider noch nicht. Trotzdem würde ich bei beiden Modellen die handgeschaltete Variante empfehlen, sie bieten einfach deutlich mehr Fahrspaß. Wer weiß wie lange wir noch die Wahl haben?
Schlussendlich stellt sich mir folgende Frage. Welchen würde ich nehmen? Der Evo X schlägt in der Basis mit Minimum 41.990 Euro zu Buche. Beim TTRS Roadster sind hingegen mindestens 59.000 Euro fällig. Der Evo ist die Drecksau vor dem Herrn, lässt alle Kinderspielchen im Sandkasten wahr werden, aber die zehnte Generation ist irgendwie ein wenig zu weichgespült und das unwürdige DSG System haut nochmal viel an Emotionen weg.
Fazit: Ja, ich war vielleicht ein wenig kritisch mit dem Evolution X. Vielleicht ist meine Sympathie für den Kleinen nicht ganz so rübergekommen, wie ich sie eigentlich empfinde. Für mich muss ein Auto Ecken und Kanten haben. Man muss sich ärgern können, damit kämpfen, damit leben. Alles Attribute, die auf den Evolution zu treffen.
Würde ich ihn kaufen? Jein! Es gäbe viel zu tun, bis ich mit der Generation X zufrieden wäre. Und auch im Freundeskreis ist man sich einig, dass irgendwie ein wenig Seele verloren gegangen ist. Ach ja – und er säuft…Dass das besser geht, beweist der TTRS. Die so oft als schluckfreudige Fünfzylinder verpönten Modelle wurden von Audi bestens gezähmt. Selbst unter dem intensiven Gebrauch des Sportmodus kam der Ingolstädter im Schnitt nicht über einen Verbrauch von 13 Litern hinaus. Bewegt man ihn ganz konform im Alltag, sind Verbräuche von unter 10 Litern ebenfalls kein Problem.
Das Problem beim TTRS? Ehrlich! Ich habe wirklich kein Manko gefunden. Und das stimmt mich schon wieder skeptisch. Ein Sportwagen mit Ecken und Kanten oder ein perfekter Everybodys Darling? Verdammt, ich kann mich nicht entscheiden!!!
Text: Mario-Roman Lambrecht
Fotos: marioroman pictures
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