Der Volvo EX90 bietet eine attraktive Alternative zum erfolgreichen XC90, der nach wie vor auf die Macht der Benzinverbrennung schwört. Stellt sich die Frage, ob der bis zu 517 PS starke Stromer dem Konzern-Bruder Paroli bieten kann?

Exterieur: Design mit Präsenz und Feinschliff

Rein von den Außenmaßen ist der neue Volvo EX90 ein echtes Schiff. Mit einer Länge von 5,04 Metern und einer Höhe von 1,75 Metern ist er gleichauf mit der Konkurrenz vom Format eines BMW X5, Mercedes GLE oder Range Rover Sport (Fahrbericht). Rein elektrisch hört die Konkurrenz auf Namen wie Kia EV9, Xpeng G9 oder Nio EL7 Tatsächlich ist das Design aber so elegant und fein geschliffen, dass der Schwede optisch gar nicht so dick aufträgt. Die Front prägt eine geschlossene Fläche mit integriertem „Thors Hammer“-Lichtdesign, das bei Annäherung animiert reagiert. Mit einem cw-Wert von 0,29 ist der EX90 für seine Größe erstaunlich windschnittig, was man ihm bei seiner Frontfläche so gar nicht zutraut.

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2025 Volvo EX90 // MarioRoman Pictures
2025 Volvo EX90 // MarioRoman Pictures

Felgen von 20 bis 22 Zoll unterstreichen den Auftritt, wobei das Design eher auf Eleganz statt Aggressivität setzt. Ähnlich wie beim EX30 (Fahrbericht) begehen die Designer mit dem Aufbrechen der hinteren, klassisch nach oben verlaufenden LED-Lichtleiste einen kleinen Tabubruch. Dennoch ist schon von weitem ersichtlich: Hier steht ein Volvo. Und tatsächlich ist auch eine optische Abgrenzung zum XC90 gelungen, der zudem auf einer anderen Plattform vom Band läuft. Gebaut wird der EX90 sowohl in South Carolina, USA, als auch in China. Erinnert schon fast an Apple. Designed in Sweden, made in … woanders.

Lidar: Der Volvo sieht mehr

Optischer Blickfang ist das Lidar-System an der vorderen Dachkante, das wir schon von anderen Herstellern wie NIO kennen. Das kann man mögen oder nicht, gewährleistet aber ein Maximum an Sicherheit. Und die ist Volvo bekanntermaßen schon immer wichtig gewesen. Das Lidar-System erfasst Objekte bis zu einer Entfernung von 250 Metern, egal ob bei Regen, Nebel oder Dunkelheit. Support gibt es acht Kameras, fünf Radarsysteme und sechzehn Ultraschallsensoren, die alle Informationen in Echtzeit übertragen. D

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Lidar System // Volvo EX90

Dafür ist viel Rechenpower nötig, die von einer zentralen Recheneinheit mit NVIDIA Drive Orin System-on-a-Chip gewährleistet wird. Mit einer Rechenleistung von bis zu 254 Billionen Operationen pro Sekunde (TOPS) ist der EX90 bestens vorbereitet für komplexe Assistenzfunktionen und perspektivisch auch für Level-3-Fahrfunktionen. Wie schon bei Nio dürfte die Möglichkeiten des Systems deutlich mehr offenbaren, als in Deutschland derzeit erlaubt ist.

Innenraum: Reduktion trifft Luxus

Der Innenraum gibt sich skandinavisch zurückhaltend, aber dennoch hochwertig verarbeitet. Hier ist kein Detail zu viel angebracht, auch wenn wir uns gerne den einen oder anderen Knopf mehr gewünscht hätten. Die Hauptzentrale ist ein 14,5 Zoll-Touchscreen, der so ziemlich alles kann außer haptischem Feedback. Immerhin: ein solider Drehregler für Lautstärke. Man ist ja schon für Kleinigkeiten dankbar.

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Innenraum Volvo EX90

Und wo wir schon beim Sound sind. Der rummst dank optionaler Bowers & Wilkins Soundanlage deftig in die Gehörgänge. Selbst in den Kopfstützen wurden Lautsprecher verbaut. Im Gegensatz zum EX30 darf noch auf ein 9-Zoll-Cockpit-Display geschaut werden oder alternativ auf das in der Windschutzscheibe projizierende Head-Up-Display.

Das Lenkrad liegt angenehm in der Hand und kombiniert klassische Drucktasten mit berührungssensitiven Flächen. Eine Beleuchtung der Bedienelemente fehlt allerdings, was die Bedienung bei Dunkelheit erschwert. Wie bei Lexus erfolgt die Auswahl über Touchflächen, die die Funktion im Cockpit-Display anzeigen und anschließend physisch bestätigt werden müssen. Auch wenn Lexus diese Lösung etwas präziser umsetzt, bleibt das System insgesamt wenig intuitiv.

2025 Volvo EX90 // MarioRoman Pictures
2025 Volvo EX90 // MarioRoman Pictures

Ebenfalls fragwürdig: die Doppelbelegung der Fensterheber. Statt für jede Tür eine eigene Taste bereitzustellen, muss zwischen Vorder- und Hintertüren umgeschaltet werden – eine unnötige Vereinfachung. Immerhin reagieren die Bedienelemente am Lenkrad und die Fenstertasten zuverlässiger als bei aktuellen Volkswagen-Modellen.

Android Automotive OS ist vollständig integriert. Der Fahrer kann Google Maps, Google Assistant und weitere Dienste nativ nutzen. Die Sprachsteuerung funktioniert zuverlässig, auch OTA-Updates sind implementiert. Die Navigationsdaten stammen aus Google HD Maps und bieten eine besonders präzise Streckenführung, die zukünftig auch autonomes Fahren ermöglichen soll. Zusätzlich bietet Volvo zahlreiche App-Integrationen über den Play Store. Ebenfalls ist Apple CarPlay problemlos nutzbar. Geladen wird über einen der zahlreichen USB-C-Ports oder induktiv in der Mittelkonsole.

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Cockpit-Display Volvo EX90

Komfortable Sitze, bis zu sieben Plätze

Ein edler Höhepunkt ist die Ambient-Beleuchtung, die erst bei Dunkelheit hinter den Verzierungen zum Vorschein kommt und dem natürlichen Sonnenlicht nachempfunden sein soll. Licht gibt es von allen Seiten, dafür sorgen große Fenster und das imposante Panoramadach. Die gemütlichen Sitze lassen sich individualisieren und können massieren als auch beheizen. Fehlt nur noch, dass sie morgens Kaffee kochen.

Platz gibt’s für fünf, sechs oder sieben Menschen, je nachdem, wie viel Familie oder Freunde man mit sich herumschleppt. Ganz besonders edel wird es mit der Viersitzer-Excellence-Version, die speziell auf den Komfort im Fond konzipiert wurde. Bei voller Passagierausnutzung bleiben immer noch 365 Liter an Ladevolumen. Wer darauf lieber verzichtet und bei Ikea shoppen geht, wird mit bis zu 1915 Litern an Ladevolumen belohnt. Ein echter Alltagskünstler.

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Volvo EX90

Noch mehr Stauraum offenbart der Frunk mit zusätzlichen 34 Litern. Primäre Funktionen können auch über die App gesteuert werden. Etwas verwirrend ist der tastenlose Schlüssel, der immer für ein unruhiges Gefühl sorgt, ob und wann die Türen endlich zugehen. Keyless Go in allen Ehren, aber zumindest zwei Knöpfe für das Öffnen und Schließen der Türen sowie für den Kofferraum wären schon fein.

Antrieb und Fahrverhalten

Zur Auswahl stehen drei Antriebskonfigurationen: Der Single-Motor mit Heckantrieb liefert 279 PS (205 kW) und sprintet in 8,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Twin-Motor-AWD Variante kommt auf 408 PS (300 kW) und schafft den Sprint in 5,9 Sekunden. In der von uns getesteten Twin Motor Performance-AWD-Version stehen bis zu 517 PS (380 kW) im Boost-Modus zur Verfügung. Die Leistung verteilt sich dabei auf zwei Elektromotoren. Der vordere Motor leistet 222 PS (163 kW), der hintere 245 PS (180 kW).

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Panoramadach Volvo EX90

Bis zu 910 Nm Drehmoment sorgen dafür, dass auch 2,8 Tonnen plötzlich leichtfüßig wirken. Bei 180 km/h ist Schluss, weil Volvo überzeugt ist, das reiche völlig. Wir deutschen Mittelspurabonnenten dürften das anders sehen. Dem Rest der Welt dürfte es egal sein. Das optionale Luftfahrwerk ist ein Gedicht. Besonders im Komfortmodus gleitet der EX90 so souverän über die Autobahn, dass man fast vergisst, nicht im heimischen Wohnzimmer zu sitzen.

Die adaptive Fahrwerksabstimmung ist ausgewogen, macht den EX90 aber naturgemäß nicht zum Kurvenkünstler. Ein zusätzlicher Offroad-Modus hebt die Karosserie an, was in bestimmten Situationen hilfreich sein kann – ohne jedoch den Anspruch zu erheben, mit einem Defender konkurrieren zu wollen. Die Geräuschdämmung ist exzellent, der Innenraum bleibt auch bei Autobahntempo ruhig. Die Geräuschdämmung ist hervorragend. Selbst bei höherem Autobahntempo bleibt der Innenraum angenehm leise.

2025 Volvo EX90 // MarioRoman Pictures
Soundsystem Volvo EX90

Im urbanen Umfeld fühlt sich der EX90 wohl, glänzt mit ordentlicher Übersicht, die über das 360-Grad-Kamerasystem nochmals optimiert wird. Bei Näherung an Objekten oder Wänden zoomt das Display auf die jeweilige Position. Das funktioniert in den meisten Fällen tadellos, wirkt aber manchmal auch sprunghaft, wenn sich das System nicht entscheiden kann, welches Hindernis nun bedrohlicher erscheint.

Nach rund 3000 Kilometern mit dem Volvo EX90 durch ganz Deutschland können wir hier absolut von einer positiven Langstreckenerfahrung berichten. Positiv ist auch der für die Fahrzeugkategorie moderate Wendekreis von 11,8 Metern. Nicht getestet haben wir die Anhängeleistung von bis zu 2.200 Kilogramm. Zusätzlich kommt noch eine Dachlast von 100 Kilogramm, statisch sogar 300 Kilogramm. Damit steht sogar dem einen oder anderen Campingausflug nichts im Weg.

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2025 Volvo EX90

Reichweite und Ladeleistung – 800 Volt kommt 

Volvo gibt für den EX90 eine maximale Ladeleistung von 250 kW im Peak an. Technisch ist das korrekt, allerdings nur unter Idealbedingungen. In der Realität lag der gemessene Peak bei unseren Tests bei rund 190 kW. Der Grund: Die meisten öffentlichen HPC-Säulen in Deutschland liefern nur 500 Ampere, was die Ladeleistung bei 400-Volt-Systemen auf rund 200 kW limitiert. Für die vollen 250 kW wäre eine 625-Ampere-fähige Säule erforderlich. Davon gibt es derzeit kaum eine Handvoll, mehrheitlich nur bei neuen Tesla Superchargern V4 oder einzelnen Hyperchargern von Alpitronic. Immerhin bricht die Ladeleistung auch ab 80 Prozent nicht massiv ein. Erst ab 90 Prozent wird es dann doch etwas zäh.

Der Ladevorgang von 20 auf 80 Prozent lag im Schnitt bei 30 bis 40 Minuten. Rund 600 Kilometer WLTP-Reichweite verspricht Volvo mit dem gigantischen 111-kWh-großen Akku (107 kWh netto). Realistisch? Eher 350 bis 450 Kilometer bei normaler Fahrweise. Wer es darauf anlegt, zieht den Saft auch mal unter die 300. Dafür ist der EX90 aber nicht konzipiert. Er ist der Typ gemütlicher Raumgleiter. Die gute Nachricht zum Schluss: Ab Modelljahr 2026 wird der EX90 auf 800-Volt-Technologie umgestellt. Dann gibt es bis zu 350 kW Ladeleistung und die Wartezeit von 10 auf 80 Prozent reduziert sich auf freundliche 22 Minuten. 

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Seitenansicht Volvo EX90

Fazit:

Der Volvo EX90 ist ein souveräner Einstieg in die elektrische Oberklasse. Wer Platz, Ruhe und Technik liebt, wird hier bestens bedient. Und wer noch bis 2026 wartet, bekommt auch beim Laden ordentlich Feuer unter dem Hintern, was dann selbst eingefleischte Petrolheads überzeugen könnte. Ein Luxus-SUV, das nicht schreit, sondern flüstert. Mit einem schwedischen Akzent.

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Heckansicht Volvo EX90

Technische Daten: Volvo EX90 Twin Motor Performance (2025)

KategorieDetails
Systemleistung (Boost-Modus)380 kW (517 PS)
Leistung Elektromotoren163 kW (222 PS) Frontmotor, 180 kW (245 PS) Heckmotor
Ladetechnik400-Volt
Maximales Drehmoment910 Nm
Beschleunigung (0–100?km/h)4,9 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit180 km/h (elektronisch abgeregelt)
AntriebsartAllradantrieb (Dual Motor)
Batterie111 kWh brutto / 107 kWh netto
AC-Ladeleistungbis zu 11 kW
DC-Ladeleistung (Peak)bis zu 250 kW
Ladedauer DC (10–80?%)ca. 30 Minuten
Reichweite (WLTP)bis zu 614 km
Verbrauch (WLTP)20,7–21,1?kWh/100 km
Radstand2.985 mm
Maße (L × B × H)5.037 × 1.964 ×1.747 mm
Gepäckraum (7 Sitze)324 Liter
Gepäckraum (5 Sitze / umgeklappte 3. Reihe)669 Liter
Max. Gepäckraum (alle Sitze umgeklappt)1.955 Liter
Unterflur-Stauraum (Kofferraum)65 Liter
Frunk (Frontladeraum)34 Liter
Leergewicht2.818 kg
Zuladungca. 597 kg
Anhängelast (gebremst)2.200 kg
Dachlast / Stützlast100 kg dynamisch / 300 kg statisch
Preisab 96.800 Euro (Basis: ab 83.700 Euro)
2025 Volvo EX90 // MarioRoman Pictures
2025 Volvo EX90 // MarioRoman Pictures

Fanaticar Magazin | Fotos: MarioRoman Pictures