Ein Rallyebericht von Dietmar Stanka
1982 wurde die ADAC Rallye Deutschland in und um Trier zum ersten Mal veranstaltet. 20 Jahre später durfte sich diese Rallye an der Mosel in die Annalen der WRC, will heißen der Rallye-Weltmeisterschaft eintragen. In diesem Jahr begann auch eine bis dato einmalige Siegesserie eines Fahrzeugherstellers und eines Fahrers. Citroën gewann sämtliche Rallyes, beginnend mit dem Xsara WRC, dem C4 WRC und seit letztem Jahr mit dem DS3 WRC. Am Steuer der Siegerautos bis auf das vergangene Jahr: der Elsässer Sébastien Loeb. 2011 war sein Teamkollege Sébastien Ogiers auf Platz 1, der seit diesem Jahr bei Volkswagen Motorsport unter Vertrag ist und ab 2013 mit dem neuen Polo WRC unterwegs sein wird.
Auch in diesem Jahr sieht es nach einem Durchmarsch der Franzosen aus. Sebi, wie Loeb mit Spitznamen genannt wird, führt die WM in der Fahrerwertung genauso an, wie Citroën die Teamwertung. Auch in Trier konnte der sympathische Haguenauer seine Überlegenheit beim Showdown am Donnerstagnachmittag mit dem schnellsten Zeit unter Beweis stellen.
Vom 23. August bis 26. August 2012 dauert das Spektakel an der Mosel und lockt Jahr für Jahr mehr Zuschauer in die beschauliche Gegend. Belgier, Franzosen, Luxemburger, Niederländer und Schweizer stellen neben Skandinaviern und den deutschen Fans die größten Gruppen an Rallyebegeisterten.
Freundlicherweise stellten sich die Citroën Werkspiloten kurz vor dem Showstart Donnerstagabend an der Porta Nigra in Trier den Fragen der kleinen Journalistengruppe. Als erster überraschte uns Thierry Neuville aus Sankt Vith in Belgien mit seinem hervorragendem Deutsch, das in dieser Gegend Belgiens die Hauptsprache ist. Gerade einmal 24 Jahre jung ist Thierry auf einem guten Weg in der WRC, die es nach seinen Worten hin, extrem in sich hat. „Der Sprung von den etwas schwächeren Autos der S2000-Serie ist eklatant. Wenn Du aus einer engen Kurve herausbeschleunigst und innerhalb von 2 – 3 Sekunden schon wieder auf 120 km/h bist, dann muss solch ein Auto erstmal beherrscht werden.“
Mikko Hirvonen, vor 32 Jahren in Kannonkoski in Finnland geboren und bis 2011 bei Ford unter Vertrag, fährt voller Begeisterung für sein neues Team. „Citroën ist mit der langjährigen Erfahrung und den 100%ig engagierten Mitarbeitern immer voll bei der Sache,“ schwärmt er. „Die vielen Weltmeistertitel sind natürlich Ansporn und Herausforderung zu gleich.“
Als Sébastien Loeb den Raum betritt, klingelt sein Telefon. Ruhig beendet er das Gespräch, immer zwei iPhones vor sich liegend. Dann wendet er sich mit der Gelassenheit des bis dato erfolgreichsten Motorsportlers aller Zeiten an die kleine Journalistenschar. Die wohl wichtigste Frage an Loeb, ob er denn auch nächstes Jahr weiterfährt, stellt niemand. Meine Frage, ob es möglicherweise in erster Schritt in Richtung einer Beendigung seiner Rallye-Fahrer-Laufbahn ist, weil er im nächsten Jahr mit einem eigenen Rennstall in Le Mans an der Start geht, bejaht er. „Er sein ein Racehead“, schmunzelt er. „Und mit meinem eigenen Rennstall habe ich die Möglichkeit das Team entweder nur zu leiten oder auch ins Cockpit zu steigen.“ Ob er sich nächstes Jahr der Herausforderung Volkswagen stellt, bleibt abzuwarten, die Gerüchteküche dampft in jedem Fall gewaltig.
Gewaltig aber auch mein Einsatz als Beifahrer von Sven Schädler, der mit einem Citroën DS3 racing mit 207 PS unter der Haube als VIP A Fahrzeug vor dem Feld der Rallye-Boliden unterwegs war. Wertungsprüfung 2 und 3 durfte ich Sven, der 2004 mit einem Polo die Klasse N2 bei der ADAC Deutschland Rallye gewann, den Aufschrieb vorlesen. Moselland, knapp 23 km lang und Grafschaft mit etwas mehr als 21 km führten unseren schwarzgelben Renner durch Weinberge über Straßen und Flurwege hinauf und hinunter. Obwohl unser DS3 racing ein ganz normaler Serienwagen ohne Umbauten wie Sicherheitskäfig oder Hosenträgergurte war, mussten wir mit feuerfestem Overall und Helm mit Sprechanlage unterwegs sein.
Und Sven, der 1999 Deutscher ADAC Kartmeister war, ließ es so richtig fliegen. Zumindest nachdem ich den richtigen Rhythmus beim Vorlesen des Aufschriebs der Strecke gefunden hatte. “40 rechts 4 über Kuppe 50 links voll lang lang” … so oder so ähnlich waren die Stakkato-ähnlichen Ansagen, die Sven um die Ohren flogen. Okay, manchmal war ich zu schnell, mal zu langsam. Aber im Gegensatz zu mir hatte Sven im Training den Aufschrieb diktiert und kannte die Streckenführung, sodass wir sehr flott unterwegs waren. So flott, dass die Bremswirkung nach der WP2 extremen Fading wich.
Auch das Anstellen mit der Handbremse, um zügiger um Kehren zu düsen, wurde aufgrund eines immer längeren Hebels ein schwieriges Unterfangen für Sven. Gut, dass sich die Bremsen auf der Verbindungsetappe zwischen WP2 und WP3, genauso wie ich, ein wenig erholen konnten.
Führte die WP2 meist durch Weinberge, mit, wenn ich denn ein Auge hätte drauf werfen können, traumhaften Aussichten und dementsprechend tiefen Abgründen neben mir, so war die WP3 ein toller Mix aus Landstraßen und asphaltierten Flurwegen quer durch Wiesen, vorbei an Wäldern und Schikanen aus riesigen Heuballen.
Interessant wäre ein Zeitvergleich mit Sébastien Loeb gewesen, der etwa eine gute halbe Stunde später heftigen Staub aufwirbelte. Auch mit einem DS3, aber eben nicht nur racing, sondern WRC und nicht mit Front- sondern Allradantrieb und natürlich mit einem Beifahrer Daniel Delana an seiner Seite, der das Vorlesen des Aufschriebs wohl ein bisschen besser beherrscht, als ich. Aber das Abenteuer, zwei Wertungsprüfungen einer Weltmeisterschaftsrallye neben dem fantastischen Sven Schädler als Beifahrer erleben zu dürfen, kann mir keiner mehr nehmen. Und sein Kompliment an mich auch nicht: „Nochmals meinen Respekt für die beiden WP‘s. Dafür dass Du “blind” ins Auto eingestiegen bist, war das echt ein super Job!“ (ds)
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