Alltag! Früh aufstehen, Schlechte Laune, Kaffe trinken, Schlechte Laune, Rush Hour, Schlechte Laune, Arbeit, Schlechte Laune, zu Hause, Schlechte Laune… ok ich hab es kapiert. Ich bin reif für die Insel. Aber dafür jetzt lange Urlaub nehmen? Nee dafür bin ich mir zu fein. Ein Wochenendtrip soll es sein und welcher Ort könnte in Norddeutschland dafür besser geeignet sein als Sylt?
Das Gefährt freilich, das stammt nicht aus dem hohen Norden. Ein Bayer ist es, der uns begleitet. Fein gezeichnet wie es sich für einen Roadster gehört. Kurzes Heck, Sitzposition nahe der Hinterachse und eine ungezogen lange Schnauze. Darunter verbirgt sich die Seele des Bavaren, ein Reihensechszylinder, aufgeladen. Kultiviert und doch auf Knopfdruck garstig. 340 Pferde für einen Roadtrip auf die Schi-Schi Insel Sylt? Ja ok, etwas untermotorisiert aber wir tragen es mit Fassung.
Mann der ich bin, packt den Kofferraum des BMW Z4 sDrive 35is natürlich so, dass sich das Klappdach immer noch öffnen und schließen lässt. Mann der ich nun mal bin, will es der Zufall dass die liebe Charleen, versetzt von einem Freund, jetzt nun neben mir sitzt. Und Frau die sie nun mal ist, hat sie einen Koffer dabei dessen Inhalt wohl für einen Dreimonatstrip nach Alaska ausreichen würde. Koffer passt, Dach.. bleibt zu. Scheisse! „Ist doch eh zu windig“ bekomme ich noch zu hören. Ich greife, nein ich kralle meine Finger in das faustdicke M-Lederlenkrad und denke nur noch : „Frauen!!!“
Ja es war windig, und ja die Fahrt bis zum Autozug war mitunter auch mal recht regnerisch. Offenfahr-Profis wie meinereiner kalkulieren dies aber auch knallhart mit ein. Wenn es dann doch mal etwas länger prasselt dann steigste halt nicht vom Gas. Alles über 100 km/h lässt den Regen eh über die Köpfe sausen. Und wird es dann doch zu derbe lässt sich das das Dach auch in Sekundenschnelle auf einem Rastplatz bei bis zu 40 km/h öffnen und schließen. Man folge bitte meiner Männerlogik denn sie ist die einzig wahre.
Doch was grummel ich vor mich hin. Lieber genieße ich den rassigen Reihensechser vor mir, dessen maximale Drehmomentkraft von 450 Nm sich beim Kickdown auf die Hinterräder entlädt. Oder gerate immer wieder Entzückung wie simpel eigentlich das iDrive System ist. Das haben Mercedes und Audi bis heute noch nicht so benutzerfreundlich auf die Reihe bekommen. Und BÄÄÄÄMM!!! Der Sound der aus der Premium-Soundanlage wummert ist einfach göttlich, egal ob offen oder geschlossen.
Wir erreichen Niebüll, werden zur Kasse gebeten. 51 Euro für eine einfache Fahrt, Wer jetzt schluckt sollte lieber gleich den Rückwärtsgang einlegen. Sylt ist nicht dafür bekannt, ein Armeleuteinselchen zu sein. Hier trifft sich das Who ist Who der Schickeria. Hier fahren sie alle zuerst. Die Bugattis, die Koenigseggs, die Rolls Royce, die Bentleys- wobei ok Bentley nehmen ich zurück, die sind dort fast so häufig wie in ein VW Golf.
Während wir uns vom Autozug nach Westerland chauffieren lassen, lasse ich mir nochmal ein paar Fakten durch den Kopf gehen. Gerade mal 38 km in der Länge und 12,6 km in der Breite misst die Nordseeinsel. Sie ist die mit 99,14 Quadratkilometern die viertgrößte Insel Deutschlands. Der größte Teil steht unter Naturschutz, weshalb Immobilien hier heiß begehrt sind und zu Höchstpreisen verkauft werden. Doch wie habe ich später gelernt. Nur weil man auf Sylt wohnt ist man noch kein echter Sylteraner . Es braucht mindestens drei Generationen um sich als Syltfriese präsentieren zu dürfen.
Ich war schon viele Male auf Sylt, doch wie für die meisten spielte sich das Leben hier für mich immer nur zwischen List und Hörnum ab. So wenig Straßen und doch verfällt man auf dieser Insel schnell in eine Art Einheitstrott. Man geht seinem gewohnten Sylt-Alltagstrott nach. Da wäre zum Beispiel das Essen in der Sansibar (http://www.sansibar.de), ein absolute Muss. Wer in der Hochsaison vor Ort ist sollte sich unbedingt einen Platz reservieren lassen, spontan vor Ort einen Tisch zu bekommen ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.
Und dann hätten wir da noch die Sturmhaube in Kampen. Im Grunde genommen ist auch jedes Mal der gleiche Ryhtmus. Zum Sonnenuntergang das rote Kliff am Strand bewundern und dann mit Freunden mit einer schönen Bohnensuppe mit Würstchen den Abend ausklingen lassen.
Hat man noch nicht genug vom Abend und möchte noch ordentlich feiern dann gibt es eigentlich nur zwei Adressen nahe der Sturmhaube. Zum einen wäre da der Club „Rotes Cliff“ von Peter Kliem (http://www.club-rotes-kliff.de). Eine schöne moderne Location durch dessen Boxen meist moderne Beats gepresst werden.
Wer aber echte Syltpartyatmosphäre haben möchte der begibt sich in das berühmte „Pony“ von Oscar Schnitzer (http://www.pony-kampen.net) . Seit über 60 Jahren besteht der gemütliche Club mittlerweile, hier feierten schon die ganze großen der High Society. Und nach wie vor strahlt Deutschlands ältester Club einen gewissen Charme aus, den man sich einfach nicht entziehen kann.
Sylt ist eine Insel für Genießer. Man genießt die Natur und die Artenvielfalt. In kaum einen anderen Teil von Deutschland ist die Dichte an Restaurants mit gehobenem gastronomischen Angebot und ebenso hochklassigen Hotels höher als hier. Sylt ist der Liebling des Michelin Sterne. Meine besondere Empfehlung: das Bodendorf’s (http://www.landhaus-stricker.de) in Tinnum. Seit 2002 ist Holger Bodendorf mit seinem Restaurant mit einem Michelin Stern und 18 Punkten im Gault Millau ausgezeichnet.
Hotel Hof Galerie
Dieses Mal schwimme ich mal gegen den Strom. Es geht nach Morsum also fernab vom üblichen Standard. Dort nämlich steht seit 2013 das Hotel Hof-Galerie (http://www.hotelhofgalerie.de/). Die Zimmer sind sehr liebevoll gestaltet, die Materialien gut ausgesucht. Steckdosen gibt es zu genüge und der HD-Fernseher empfängt tatsächlich auch HD-TV, auch keine Selbstverständlichkeit. Für die Gestaltung der Suiten ist die Designerin Ines Müller zuständig, die sich weltweit nach passenden Möbeln und Accessoires umschaut. Der Stil weiß zu gefallen. Im Bereich der Rezeption und des Frühstücksraum war man etwas mutiger, experimentierte mit verschiedenen kreativen Stilen. Das Personal ist stets sehr freundlich und hilfsbereit. Schon nach kurzer Zeit macht sich der Eindruck breit, man würde hier unter dem Dach von Freunden hausen.
Das 1906 erbaute Haupthaus wurde zuvor 25 Jahre lang als Galerie für in Sylt lebende Künstler genutzt. Dieser Tradition folgt das Hotel immer noch. In allen Räumen sind Kunstwerke von auf Sylt lebenden Künstlern aufgestellt. Vom Gemälde bis zum vergoldeten Modeschmuck ist alles dabei. In den Zimmern hat der Gast die Möglichkeit alle Ausstellungsstücke nochmal im Katalog nachzuschlagen und bei Bedarf sogar zu erwerben.
Nicht ein einziges mal kam wir der Putzfrau in die Quere, einfach weil sie unsichtbar war. Kein nerviges um 9 Uhr Klopf, Klopf „Zimmerservice“ das mit einem leisen nein danke und dann einem lauten genervten NEIN!!! ehe sie sich verkrümelt. Kein Scherz, neulich kam eine Putzfrau trotz lautem Verneinen sogar ins Badezimmer wo ich gerade am duschen war- und das in einem Fünf-Sterne-Hotel…
Das Frühstück ist üppig und nachmittags gibt es für die Gäste gratis hausgemachten Kuchen und Kaffee. Wer abends noch etwas essen möchte, kann sich entweder noch die Brotzeitkarte für abends ausfüllen, oder man geht einfach in eines der vielen umliegenden Restaurants. Wie schon gesagt, verhungern wird man auf Sylt bestimmt nicht.
Persönliches Highlight? Der Spa Bereich mit Dampfsauna, Sauna & Pool Spa Bereich ist 24 Stunden (!!!) am Tag geöffnet, das können sich die vermeintlich großen 5 Sterne Bunker mal eine gehörige Scheibe von abschneiden. Auch Hundebesitzer dürfen sich freuen denn Ihre vierbeinigen Freunde sind hier herzlich willkommen. Der Aufpreis hierfür beträgt lediglich 9 Euro pro Tag. Gastgeberin Julia Ferner geht mit gutem Beispiel voran. Ihr Hund Paul ist das Maskottchen der Hotel-Crew.
Auch wenn Sylt es uns dieses Mal mit dem Wetter nicht leicht gemacht hat. Es sind kurzen Augenblicke die man genießt. Wenn die Sonne nach kurzem Schauer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Wenn man in einem der zahlreichen Strandkörbe sitzt, die Augen schließt, tief einatmet und kurz mal alles vergisst. Das alles und noch viel mehr bietet Sylt.
Das Wochenende neigt sich dem Ende zu
Doch alles hat mal ein Ende und eben auch dieser Trip. Charleen und Co sind schon lange mit dem Zug nach Hause, ich gönne mir aber noch meine traditionelle Überfahrt nach Rømø, denn mal ehrlich der Z4 hat sich bis jetzt doch ziemlich gelangweilt, also gönnen wir ihm mal was besonderes.
Die dänische Nachbarinsel darf sich damit rühmen, Europas größten Autostrand zu besitzen. Bevor jetzt alle hier das sabbern bekommen seien ein paar Punkte gesagt. Letztes Jahr ereignete sich unter jugendlichem Leichtsinn ein tödlicher Autounfall an diesem Strand. Die Bewohner sind dementsprechend sehr nervös eingestellt.
Es empfiehlt sich vorher unbedingt, eine der Coastguards (gelber Pick-Up) oder die immer wieder umherfahrende Streife um Erlaubnis zu bitten. Bis dahin gilt Tempo 30 km/h so sehr es auch schmerzt, nicht Gaspedal durchzutreten. Die Strafen für Nichteinhaltung sind überaus empfindlich und können zwischen 300 und 600 Euro betragen. Auch wenn die Sonne lacht. Fenster zu und wie in unserem Fall das Dach schließen.
Soviel Spaß es auch macht, umso mehr ärgert man sich am Ende den ganzen Mist wieder aus dem Innenraum zu bekommen. Wenn man sich an diese Regeln hält und den Anweisungen der Beamten Folge leistet dann gibt es keinen besseren Platz um sich mal an die Grenzen seines Fahrzeuges heranzuwagen, das schaut dann in unserem Fall etwa so aus. 😉
Der Rückweg von Dänemark verläuft relaxt. Ich fahre offen, Fenster runter , Windschott im Kofferraum verbannt. Der Wind tobt sich überall aus. Irgendwann erreiche ich die deutsche Grenze. Ich trete das Gaspedal durch, erst bei 250 km/h wird der elektronische Riegel vorgeschoben. Erste Regentropfen zerspringen auf der Windschutzscheibe, der Himmel wird dunkler. Ich richte meine Sonnenbrille, schaue auf den leeren Beifahrersitz und grinse einfach mal vor mich hin. Ich bin entspannt….
Credits:
Text: Mario-Roman Lambrecht
Fotos: marioroman pictures / Rømø Dynamik-Aufnahme: Thomas Sass PedersenModels: Ronja M. & Nina C.