Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse by radical mag - fanaticar

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Mein grösste Sorge ist: fliegt mir mein Baseball-Cap weg? Und dort in der Steilwandkurve, mit 220 km/h, dort spüre ich tatsächlich einen Luftzug am Nacken, doch es kann auch ein kleiner Hauch von Angstschweiss gewesen sein, oder ein Ausbruch von Adrenalin, bevor es dann wieder auf die Gerade geht. In der Kurve, die man am besten mit dem Tempomat durcheilt, hat mir mein Beifahrer und Instruktor das Kommando gegeben, runterschalten, 7, 6, 5, in den Vierten, und dann, zu Beginn der langen Geraden, soll ich voll drauftreten, die Gänge voll ausfahren. Der 8-Liter-16-Zylinder tut quasi einen Sprung, 250 km/h, 280 km/h, er zieht immer noch gnadenlos weiter, es ist keinerlei Durchzugsschwäche zu verspüren, 300 km/h, 320 km/h, jetzt haut er den 6. Gang rein, 330 km/h und auch noch 332 km/h. Dann winkt der Chef im Gestühl nebenan, runter vom Gas, auf keinen Fall auf die Bremsen latschen jetzt, locker bleiben, wieder mit 220 km/h durch die Steilwandkurve. Die Frisur sitzt, das Cap hat keinen Wank getan. Pff.

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Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse by radical mag - fanaticar

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Endlich, endlich habe ich die 300-km/h-Marke geknackt. Also, über 300 fuhr ich schon öfter, aber jetzt zum ersten Mal – offen. Mit dem Mercedes SLS AMG Roadster hatte ich es nur auf 294 (Tacho) gebracht, und mit dem Ferrari California kam ich auf 299 (Tacho), doch die 332 (Tacho) im Bugatti Grand Sport Vitesse dürften auch echt über 300 km/h gewesen sein. Da bin ich jetzt aber froh, ist dieses Thema endlich durch. Weder klebt mir das T-Shirt am Rücken noch flattern die Nerven, das war jetzt ziemlich cool. Wobei, ich muss zugeben, auf den ersten zwei Durchfahrten durch die Steilwand, da habe ich mich ziemlich grob ins Lenkrad verbissen, das Ding festgehalten, als ob ich es gleich aus der Verankerung reissen möchte. Das passiert mir immer wieder, dabei weiss ich doch, ich könnte es loslassen.

Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse by radical mag - fanaticar

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Also gut: alle anderen Automobile sind Schlafkappen, inklusive SLS Roadster und California. Als ich den Bugatti Veyron 16.4. zum ersten Mal bewegte, das muss etwa 2005 gewesen sein, da war ich nachher für ein paar Wochen ziemlich verloren; ich hatte das Gefühl, ich könne nie wieder ein anderes Automobil fahren. Seither fuhr ich den Veyron in seinen verschiedenen Ausführung noch das eine oder andere Mal, und immer knallten mir die 1001 PS fast das Hirn weg. Am schönsten: offen, im Grand Sport, da ist die Freud noch intensiver.

Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse by radical mag - fanaticar

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Um die Nomenklatur noch einmal zu erklären: Es gibt das Basis-Modell, mit vollem Namen Bugatti Veyron 16.4. Es gibt den Roadster, der heisst dann Grand Sport. Vom geschlossenen Modell gab es dann die 1200-PS-Variante, die hiess Super Sport. Und die jetzt kommt neue noch der Grand Sport Vitesse dazu. Die Coupé mit dem festen Dach werden nicht mehr produziert, da war nach 300 Stück, wie versprochen, fertig; vom Roadster wird es insgesamt 150 Exemplare geben, 60 sind mindestens schon verkauft, bleiben noch etwa 90, und Bugatti will sich da nicht festlegen lassen, wie viele als Grand Sport und wie viele als Vitesse gebaut werden. Sicher ist nur: in etwa drei Jahren ist fertig.

Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse by radical mag - fanaticar

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Hier haben wir es also mit dem Grand Sport Vitesse zu tun. Der hat den Motor aus dem Super Sport, da wurde an den Benzinpumpen gefummelt (die Dinger können jetzt 264 Kilo Benzin pro Stunde fördern), die vier Turbos sind etwas grösser und pumpen bis zu 3700 Liter Luft in die Zylinder (das ist in etwa so viel, wie ein erwachsener Mensch pro Monat zum Atmen braucht) und sprechen trotzdem besser an (das sind die Errungenschaften der modernen Technik). Auch an der Kühlung wurde gearbeitet. Ein zentraler Punkt, der knapp 500 Kilo schwere Motor produziert pro Stunde über 800 kW Abwärme, damit könnte man gleichzeitig auch 40 Einfamilienhäuser heizen. Ach ja, an den Spoiler-System wurde auch noch gebaut, die müssen etwas anders sein als beim Super Sport (der schafft 431 km/h), denn der Grand Sport Vitesse muss maximal nur 415 km/h eilen, und er hat da oben auf der Frontscheibe noch so ein spezielles Teil, das muss man anbringen, wenn man offen schneller fahren will. Etwas umständlich vielleicht, doch der durchschnittliche Bugatti-Besitzer, der durchschnittlich nur gerade 1820 Kilometer fährt mit dem Teil, aber dafür, wiederum durchschnittlich, noch weitere 33 Automobile besitzt, hat für das Entfernen des Dachs und Anbringen der Kante wohl sowieso einen Spezialisten angestellt.

Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse by radical mag - fanaticar

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Erstaunlich ist und bleibt: auch mit 1200 PS lässt sich der Bugatti auf öffentlichen Strassen so einfach bewegen wie ein VW Golf. Einverstanden, er ist etwas unübersichtlich, die Breite von knapp zwei Metern sowie die sehr tiefe Sitzposition hilft da nicht. Doch wer sanft umgeht mit dem Gaspedal, der kann auch ganz friedlich einherrollen – und dann erfreut der Vitesse mit gutem Komfort. Andererseits, wer will schon cruisen mit einem solchen Wagen? Es ist allerdings sehr, sehr viel Respekt geboten, wenn man den Bugatti etwas tritt: nach einem kurzen Gedenk-Moment, den die Turbos brauchen, um zu Atem zu kommen, bricht hinter dem Piloten das Inferno los. Der 16-Zylinder-Motor brüllt seine Kraft in die Welt hinaus – und das Durchzugsvermögen ist unfassbar. Der Vitesse schafft sein maximales Drehmoment zwischen 3000 und 5000/min, und in diesem Bereich brauchen die Passagiere starke Nackenmuskeln, sonst haut es ihnen den Kopf gegen das (hervorragende) Gestühl. Die Sitze, übrigens, lassen sich trotz des Preis von 1,9 Millionen Euro nur von Hand verstellen. Und ein Navi hat es trotz einer Entwicklungszeit, die mittlerweile schon mehr als ein Jahrzehnt dauert, auch nie in den Bugatti geschafft.

Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse by radical mag - fanaticar

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Schmale Strassen und enge Kurven sind nicht das bevorzugte Geläuf des 1,9 Tonnen schweren Bugatti. So richtig wohl fühlt er sich auf breiten Landstrassen, in langgezogenen Kurven. So unglaublich wie die Beschleunigung ist auch die Bodenhaftung des allradgetriebenen Bugatti, man bewegt sich schnell einmal in Geschwindigkeitsbereichen, die nur Rennwagen erreichen können. Und man kann richtig Spass haben, den Franzosen wunderbar fliegen lassen, denn die Lenkung ist sehr präzis, die Karbon-Keramik-Bremsen ein Wunder. Denn noch schneller als der Vitesse von 0 auf 100 km/h beschleunigt (2,6 Sekunden sind es) bremst er von 100 auch wieder auf 0, in nur 2,3 Sekunden. Doch was so richtig, richtig geil ist: die Kiste ein bisschen aufziehen, so auf 5000/min, und dann abrupt vom Gas. Dann knallt ei Wastegate den Insassen soviel komprimierte Luft um die Ohren, das man das Gefühl hat, ein Jet startet direkt durch den Gehörgang. Man könnte süchtig werden danach. Und nach der unglaublichen Beschleunigung sowieso. Allerdings: Im ersten Gang geht der Bugatti schon 104 km/h, und wer dann flott draufbleibt, der wird auch auf der Landstrasse bald einmal jenseits von 200 km/h sein, und das gilt allgemein als nicht besonders gesetzeskonform.

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Nein, einen solchen Wagen braucht niemand. Doch das war auch nicht der Grund, weshalb der VW-Konzern den Bugatti konstruiert hat: es ging den Deutschen einzig und allein darum aufzuzeigen, was technisch machbar ist. Jetzt haben die deutschen Ingenieure gezeigt, dass noch mehr möglich ist. Und es ist davon auszugehen, dass der Vitesse für lange Zeit die allerhöchste Evolutionsstufe des Automobilbaus bleiben wird; ein direkter Nachfolger ist nicht geplant. Doch wie geht es weiter mit «vive la marque»?

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Die grosse Personal-Rochade im VW-Konzern hatte auch Auswirkungen auf Bugatti. Der bisherige Bugatti- und Bentley-Chef Wolfgang Dürheimer wechselt zu Audi, sein Nachfolger heisst Wolfgang Schreiber. Schreiber kennt die Marke Bugatti bestens, er war massgeblich an der Entwicklung des Veyron beteiligt. Und es wartet eine grosse Aufgabe auf ihn: er muss in den nächsten zwei Jahren ein neues Modell auf die Räder stellen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es eine grosse Limousine sein wird, ist gross: Bugatti arbeitet zwar an verschiedenen Projekten, doch der Galibier ist am weitesten fortgeschritten. Ob er allerdings mit dem 16-Zylinder-Motor aus dem Veyron kommt, darf bezweifelt werden.

Text: Peter Ruch

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