Irgendwann, irgendwo, irgendwie in Ingolstadt muss es passiert sein. Audi R8 und RS7 haben ganz leise und heimlich Liebe gemacht. Heraus kam ein Schmuckstück von einem Baby- der Audi e-tron GT. So und nicht anders wird es wohl gewesen sein.
Was für eine fescher Bub. Höflich wie eine Limousine, aber dennoch zupackend wie ein Sportwagen. James Bond hätte ihn bestimmt gerne mal gefahren, doch Tony Stark kam ihm zuvor. Mit Stolz fuhr ihn der Iron Man in “The Avengers Endgame” vor. Mit seinem kessem Matrix-LED-Blick, mit seinem sexy Hüftschwung stahlt er Tony schon fast wieder die Show. Man wollte nur noch sagen: “A star is born” und „Shut up and take my Money!“.
Leider ist der Basis-Preis mit knapp 100.000 Euro doch etwas delikat angesetzt, aber hey vielleicht klappt es ja mit Krypto, Lotto oder gar einem Banküberfall? Der Wille ist der Weg. Was es dafür gibt? Feinste Elektromobilität auf höchster Performance-Stufe. In Vergessenheit hingegen fällt prolliges Schaltgefurze und lästiges Motorheulen. Dafür wird man jetzt eh ordentlich zur Kasse gebeten, warum also nicht was mit Stil?
Design – Voll mit Details
Der Audi e-tron GT ist ein optischer Genuss, das haben wir schon bei unserer ersten kurzen Probefahrt festgestellt. Flach und dicht am Boden kauernd, aber dennoch lang genug, um Platz für bis zu fünf Personen zu offenbaren. Ok sagen wir vier – der Platz in der Mitte auf der Rückbank ist maximal für Personen, die man aus tiefstem Herzen verachtet.
Doch bleiben wir nochmal draußen. Wer sich für das Matrix-LED-Laserlicht entscheidet, bekommt beim Öffnen ein Lichterspektakel präsentiert. Besonders imposant ist das im Heckbereich da sich die LEDs hier über die gesamte Breite platziert haben. In den Radkästen schlummern ab Werk 19-Zoll-Schlappen. Unsere Lady hat sich aber hübsch gemacht und präsentiert sich mit optionaler 21-Zoll-High-Heel-Bereifung. Der Audi e-tron GT strotzt nur so vor Details und feinen Linien, die teilweise erst zur blauen Stunde richtig präsent werden. Kurz: Es ist ein Fest dieses Auto zu betrachten.
Kofferraum gibt es auch. Nicht nur einen, sondern direkt zwei. In den vorderen “Frunk” passen 85 Liter, im regulären Kofferraum gibts 405 Liter an Ladevolumen. Zusätzlich ist die Rückbank geteilt umklappbar. Schade, dass man sich hier nicht für eine große Heckklappe entschieden hat. Das Design hätte es grundsätzlich zugelassen.
Interieur – Auf Wunsch lederfrei
Wer sich in den E-Tron GT setzt, sitzt tief, aber bequem. Der Kunde hat die Wahl zwischen Ledergestühl oder wie in unserem Fall aus Stoffsitzen mit Zusatz aus recycelten PET-Flaschen. Klingt vielleicht etwas strange, schaut und fühlt sich aber verdammt gut an.
Wer sich für die lederfreie Sitze entscheidet, bekommt nachhaltige Materialien wie Polyesterfasern, die aus recycelten PET-Flaschen, Textilien oder Faserresten bestehen.
Technisch ist der e-tron GT richtig gut bestückt. Er geizt weder mit Komfort-, Sicherheits- oder Infotainmentfeatures. Die Soundanlage aus dem Hause Bang & Olufsen ist famos abgestimmt und herrlicher Weise findet Audi in seinem technischen Elitemodell wieder den Weg zurück zu den Druckknöpfen.
Hier hat man auf die sinnige Kombination aus Touchscreen und wichtigen haptischen Knöpfen gesetzt. Das gerne so fortgeführt werden, denn reines Touchy Touchy ist einfach nur lästig. Sehr lässig hingegen ist die Integratione des Touchscreens mit dem Rest der Konsole. Ist das Display ausgeschaltet wirkt es wie ein fließender Übergang.
Die Übersicht ist ok und tote Winkel werden von den Parkassistenz- und Kamerasystem kompensiert. Das Lenkrad ist dick und griffig, das Feedback hervorragend. Man kann es auch anders sagen, hier fühlt man sich sauwohl.
Laufruhe ist das neue Bollern
Ewig-gestrige Autonarren vergessen oftmals, dass es damals immer zwei Arten der Automobilen-Perfektion gab. Performance, die man hörte oder eben Performance, die man möglichst nicht hörte. Die perfekte Laufruhe ultimativ vorgeführt in Fahrzeugen wie Rolls-Royce oder Bentley. Man kann auch sagen, der V12 lebt irgendwie weiter in der Elektrowelt. Elektromobilität ist die perfekte Symbiose aus absoluter Laufruhe und der perfekten Leistungsentfaltung. Der Audi e-tron GT führt dies eindrucksvoll vor.
Die „Basis“ kommt auf 350 kW also 475 PS. Das ist in der Verbrennerwelt schon ein eindrucksvoller Wert doch um das elektrische Fahrgefühl mit so viel Leistung auf Verbrennerebene wiederzufinden muss man schon ordentlich auftischen.
Die Art Leistungsentfaltung ist der pure Wahnsinn. Kontrolliert wie ein großer V8 Sauger vom Format einer Corvette, Drehmomenthungrig wie ein McLaren GT und angriffslustig wie eine Hayabusa. Ich habe lange überlegt, wie ich es am besten beschreibe – besser gelingt es mir, glaube ich, nicht. Und wir reden hier noch nicht mal von der knapp 600 PS starken RS-Variante.
Elektromotoren haben nämlich den Vorteil, dass sich ihr Drehmoment quasi sofort aufbaut. Sie sind frei von Platz und zeitraubenden Elementen wie Turboladern oder einem Getriebe. Alles geht direkt in Richtung Pneus, die das natürlich mit quattro-Power gekonnt über alle vier Räder befeuert.
4.1 Sekunden von 0 auf 100 km/h
Ein beherztes Schmusten mit dem Bodenblech entfacht ein maximales Drehmoment von 640 Nm, welches blitzschnell auf alle vier Räder transferiert wird. Allrad-Quattro Power darf bei einem Audi natürlich nicht fehlen. Die 100 km/h Marke ist im Overboost in gerade mal 4,1 Sekunden vernichtet, regulär sind es 4,5. Auch danach vergehen ebenfalls nur wenige Sekunden bis das Maximum von 245 km/h ansteht.
Dabei liegt der Audi e-tron GT so satt auf der Straße als hätte man ihn dort festgezurrt. Das Fahrwerk ist so harmonisch abgestimmt, dass selbst unschöne Autobahnabschnitte fast schon arrogant von den Dämpfern ignoriert werden. Bedenkt man, dass hier immerhin knapp 2,3 Tonnen auf den Asphalt drücken nochmals beeindruckender.
Aber auch abseits der Autobahn performt der Ingolstädter auf höchsten Niveau. Kurven werden vernascht als wären hier gefühlt 500 Kilo weniger auf der Waage. Das Volant geht präzise auf Lenkmanöver ein. Die Kalibrierung des Gaspedals ist so harmonisch gestaltet, dass das Herrausbeschleunigen aus engen Kurven exakt getimt werden kann. Dazu kommt eine bissige Bremsanlage die sich keine Fehler erlaubt.
Der große Vorteil liegt hier an der Platzierung der Batterien im Unterboden. Die sind zwar bockschwer, sorgen aber für einen extrem niedrigen Schwerpunkt, was wiederum die Grenzen der Physik ein wenig verschiebt.
Laden mit bis zu 270 kW dank 800 Volt-Technik
Fürs Laden gibt es modernste 800 Volt Technik, die den e-tron GT unter optimalen Bedingungen in sehr entspannten 22 Minuten von 10 auf 80 Prozent bringen. Optimale Bedingungen bedeutet – wenn ein Schnellader in der Lage ist 270 kW durch den Schlauch zu feuern. Der Ausbau geht voran, derzeit aber primär nur auf viel befahrenen Strecken. Je weiter es ins Land geht, tja desto spannender wird es.
Wer ihn ganz voll haben will, muss sich noch weitere 20-30 Minuten gedulden, denn den Rest gibt es zum Wohl des Akkus nur im Schongang eingespeist. Natürlich geht es auch über Nacht mit einem On-Board-Lader an der Steckdose, aber mangels Steckdose in der Garage kann ich dazu nichts sagen.
Bei voller Ladung wird man offiziell mit einer potenziellen Reichweite von bis zu 488 Kilometer belohnt. In der Realität schwankte der Wert je nach Fahrlaune zwischen 200 und knapp über 350 Kilometer. Wie beim Verbrenner gilt: Mehr Spaß – Weniger Reichweite. Trotzdem: Selbst nach längeren Tempo 200+ Fahrten war der Akku nicht unter 200 Kilometer Reichweite zu bekommen. Das weist auf ein sehr gutes Softwaremanagement hin.
Alltag – Hochgepumpt durch die City
Mit einer Länge von knapp fünf Metern und einer Breite von 2,15 Metern bewegt sich der Audi e-tron GT gerade noch so im Bereich der Großstadttauglichkeit. Trotz seiner abfallenden Dachlinie und dem schmalen Blickschacht im Heckfenster hat man sich sehr schnell an die Proportionen gewöhnt und wird nicht zuletzt dank der feinen Parkhelferlein problemlos in jede Parklücke gelotst. Gerade in der Innenstadt ist man hocherfreut über die nicht ganz so spitze Auslegung des Gaspedals wie bei vielen Mitbewerbern.
In der Stadt sollte unbedingt auf den Efficency Modus verzichtet werden, da sich das Fahrzeug hier sonst auf die tiefste, äußerst bordsteinkantenunfreundliche, Position senkt. Wer also seine Front liebt, der fährt das Fahrwerk am besten nach ganz oben, was im übrigen auch den Ausstieg aus der gerade mal 1,40 Meter flachen Sportlimousine erleichtert. Davon mal abgesehen fährt es sich auch in der Großstadt wunderbar.
Knapp 2.000 Kilometer purer Fahrspaß
Zwei Wochen mit dem Audi e-tron GT haben für eine Fahrleistung von knapp 2000 Kilometer gereicht. Probleme mit dem Laden gab es selten, was aber eher daran lag, dass die Anzahl defekter oder überfüllter Ladestationen leider schneller zunimmt als der Ausbau. Langstrecken vom Format Hamburg-Berlins nackt der Ingolstädter aber problemlos weg.
Am Ende stellt sich hier genau, das heraus, was der Name hergibt. Dieses Auto ist ein echter Gran Turismo ohne Wenn und aber. Er hat Power, er ist reisetauglich, er ist komfortabel aber zugleich auch sportlich und scheut sich auch nicht davor Alpenpässe hoch zu wieseln. Der Verbrauch lag die meiste Zeit unter 20 kWh, die letzten Tage waren wir aber etwas flotter unterwegs, weshalb dieser auf 28,3 kWh anwuchs. Willst du Spaß…
Bissel Mimimi
Keine Frage, der Audi e-tron GT hat mich wirklich gecatcht. Aber ein zwei Mimimis kann ich dann doch noch aufzählen. Mir hätte es gefallen wenn man statt der Kofferraumklappe eine Liftbackvariante gebracht hätte. Das Design hätte das problemlos hergegeben. Nichts ist cooler als direkt den gesamten Kofferraum parat zu haben.
Ein nettes Gimmick ist der Remote-Park-Assistent. Aber es ist derzeit wie bei allen Herstellern noch in den Baby-Schuhen. Der e-tron GT reagiert extrem zaghaft, stoppt schon beim kleinen Grashalm und lässt sich viel zu umständlich über die App bedienen, die sich immer erst verbinden muss. Das hat BMW mit dem Display-Schlüssel deutlich besser gelöst. Dennoch ist die Entwicklung hier extrem spannend anzusehen.
Stichwort One-Pedal Driving. Eines der coolsten Features, die in der E-Welt eingeführt wurde. Doch der VW Konzern weigert sich diese Funktion zumindest anzubieten, schiebt es auf Ineffizienz. Zumindest lässt sich die Rekuperation über die Lenkradwippen so hoch einstellen, dass es ein One-Pedal Driving light gibt. Dies lässt sich aber nicht abspeichern und muss nicht nur nach jedem Start, sondern auch nach jedem Fahrmodi-Wechsel wieder von neuem eingestellt werden.
Wer häufig lädt betätigt natürlich auch häufig die Ladeklappe. Hier fragt man sich tatsächlich warum die Klappe(n) nicht wie beim e-tron automatisch aufgehen. Stattdessen muss man oft erst den richtig Druckpunkt finden, um sie zu öffnen. Hätte man besser lösen können und ist insofern enttäuschend, weil Audi ja im e-tron schon eine bessere Lösung parat hat.
Last but not Least ein allgemeines VW-Problem. Trotz Online-Anbindung stinkt das Navi bei der Suche nach Ladesäulen mächtig gegen Google Maps ab. Gefühlt findet Google locker das fünffache an Ladesäulen. So sind als Beispiel nach wie vor keine Schnellader in meiner Gegend eingetragen, obwohl sie schon seit einem guten Jahr existieren. Bitte nachbessern.
Fazit: Der Audi e-tron GT ist ein Genuss für Technikfreunde
Schafft es Audi dem übermächtigen Tesla Paroli zu bieten? Absolut! Er ist qualitativ auf einer ganz anderen Ebene und auch beim Fahrwerk glänzt der Ingolstädter mit Bravour. Zwar kommt er nicht ganz an die Reichweite dran, aber dennoch kann man den e-tron GT absolut als reisetauglich bezeichnen.
Hier muss nicht 80 hinter dem größten LKW hinterhergetrottet werden. Hier darf man ganz normal am Verkehr teilnehmen, ohne Angst zu haben, stehenzubleiben. Und dank extrem flotter Ladetechnik ist der E-Stop auch keine große Sache mehr. Mal kurz schauen, was mein Krypto macht…. nein… immer noch ein Traum. Schade.
Diashow | Audi e-tron GT 60 quattro 350 kW distance plus (2021)
Technische Daten | Audi e-tron GT 60 quattro 350 kW distance plus (2021)
Motor | Elektro |
Batterie | Lithium-Ionen (93,4 kWh) |
Antrieb | Allrad (quattro) |
Getriebeart | 2-stufig / Automatisch |
Leistung | 350 kW / 475 PS |
Leistung Boost | 390 kW / 530 PS |
maximales Drehmoment | 630 Nm |
maximales Drehmoment Boost | 640 Nm |
Höchstgeschwindigkeit | 245 km/h |
Beschleunigung 0 auf 100 km/h | 4,5 Sekunden |
Beschleunigung 0 auf 100 km/h Boost | 4,1 Sekunden |
Länge | 4.989 mm |
Breite | 2.158 mm |
Höhe | 1.413 mm |
Leergewicht | 2.276 kg |
Maximalgewicht | 2.840 kg |
Kofferraumvolumen | 405 Liter |
Kofferraumvolumen Frunk | 85 Liter |
Ladezeit 10 auf 80 % (270 kW Gleichstrom) | 22 Minuten |
Verbrauch kombiniert | 20,5 kWh/100 km |
CO2 Emissionen | 0 g/km |
Energieeffizienzklasse | A+++ |
Reichweite (WLTP) | 488- 452 km |
Reichweite im Alltags-Test (14 Tage) | 250-400 Kilometer |
Gefahrene Kilometer | 1.905,4 km |
Durchschnittsverbrauch nach Abgabe | 28,3 kWh/100 km |
Preis | 99.800,00 Euro |
Mehr Infos zum Audi e-tron GT 60 quattro |
Testwagen Ausstattung | Audi e-tron GT 60 quattro 350 kW distance plus (2021)
Grundpreis | 99.800,00 Euro |
Kemoragrau Metallic Lackierung | 1.050,00 Euro |
Akustikverglasung | 690,00 Euro |
Assistenzpaket Parken | 1769,99 Euro |
Assistentpaket Stadt | 1.350,00 Euro |
Assistenzpaket Tour | 1.890,00 Euro |
Audi Phone Box | 500,00 Euro |
Bang & Olufsen Sound System | 1.200,00 Euro |
Dekoreinlagen Nussbaum | 770,00 Euro |
Designpaket lederfrei | 600,00 Euro |
Dynamikpaket plus | 4.890,00 Euro |
Einstiegsleisten Aluminium beleuchtet | 500,00 Euro |
Head-Up-Display | 1.400,00 Euro |
Komfortschlüssel | 500,00 Euro |
10-Speichen Leichtmetallräder 21 Zoll | 2.749,99 Euro |
Luftqualität-Paket | 240,00 Euro |
Matrix-LED-Scheinwerfer mit Laserlicht und LED-Heckleuchten | 2890,00 Euro |
Singleframe in Wagenfarbe | 350,00 Euro |
Sportsitze plus vorne | 1.990,00 Euro |
Stahlbremsanlage mit Wolframcarbid-Beschichtung | 3.400,00 Euro |
Vordersitze elektrisch mit Memory-Funktion | 1.075,00 Euro |
Gesamtpreis | 129.604,98 Euro |
Credits
Text: Mario-Roman Lambrecht
Fotos: marioroman pictures
Teilen mit:
- Klick, um auf Facebook zu teilen (Wird in neuem Fenster geöffnet)
- Klick, um über Twitter zu teilen (Wird in neuem Fenster geöffnet)
- Klick, um auf Pinterest zu teilen (Wird in neuem Fenster geöffnet)
- Klick, um auf Tumblr zu teilen (Wird in neuem Fenster geöffnet)
- Klick, um auf LinkedIn zu teilen (Wird in neuem Fenster geöffnet)
- Klicken, um einem Freund einen Link per E-Mail zu senden (Wird in neuem Fenster geöffnet)
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.