Der Nio EL7 versteht sich als SUV der Premiumklasse und man darf auf den ersten Kilometern durchaus attestieren, dass das keine hohlen Phrasen sind. 

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Während die meisten europäischen Hersteller immer noch recht unbeholfen im Elektrosegment umherdümpeln, gibt Nio derweil Vollgas und präsentiert nun auch in Europa ein Modell nach dem anderen. Der Nio EL7 zielt mit einer Länge von 4.912 mm direkt auf die SUV-Elite eines BMW X5 genauer gesagt auf dessen elektrischen Pendant iX ab.

2023 Nio EL7 | MarioRoman Pictures

Optisch setzt man auf eine cleane Linienführung, was wiederum für eine effiziente Aerodynamik sorgt. Zwar kommt der EL7 durch seine schiere Größe recht imposant daher, macht aber von keiner Seite auf Macho. Die schmalen LED-Scheinwerfer sorgen für einen eigenständigen Look, bei der schwarzen Dachoptik sowie den versenkbaren Türgriffen schien man eine kleine Hommage an den Range Rover Sport angedacht zu haben. Dazu kommt eine durchgehende LED-Leiste zwischen den Rückleuchten.

In den Radkästen schlummern impsoante 21-Zoll-Felgen, hinter denen die bissige Brembo-Bremsanlage ihre Arbeit verrichtet. Im Fall der Fälle kommt der EL7 nach 33,9 Metern von 100 auf 0 km/h zum stehen.

2023 Nio EL7 | MarioRoman Pictures

Die kleinen Hörnchen im vorderen Dachbereich sind keine Geschmacksverirrung, sondern dient für eine bestmögliche Positionierung der Kamera und Sensoren-System, die unaufhaltsam Informationen über das Verkehrsgeschehen an das Computersystem senden und es auf etwaige Situationen vorbereitet. Schnell wird klar: Geht es um Sicherheit im Straßenverkehr, versteht Nio keinen Spaß.

Das wird auch im hochwertigen Innenraum klar, als wir Noomi erblicken. Noomi agiert als freundliches Hilfssystem, mit der man wie mit anderen Sprachassistenten sprechen kann. Allerdings wird einem durch das mittig platzierte LED-Gesicht eine Persönlichkeit präsentiert, die jeweils mit dem Passagier agiert, die mit ihr spricht. Dabei ist sie stets besorgt und ermahnt auch gerne mal den Fahrer, wenn er während der Fahrt zu lange am Touchscreen rumspielt. Das könnte vielleicht manch einen nerven, aber eigentlich hat sie ja recht.

2023 Nio EL7 | MarioRoman Pictures
Feinste Materialienauswahl im Nio EL7

Und wo wir schon im Innenraum sind, können wir auch gleich die hochwertige Verarbeitung beim Namen nennen. NIO setzt hier komplett auf tierfreie Lederalternativen, die aber so gut verarbeitet sind, dass einem der Unterschied nicht auffällt. Als schicken Eyecatcher nutzt Nio Karuun-Dekor. Das schaut nicht nur edel aus, sondern fässt wie sämtliche Materialien im Innenraum gut an.

Die Sitze machen einen hervorragenden Langstreckeneindruck, könnten aber etwas mehr Seitenhalt vertragen. Nio macht hier übrigens den direkten Beifahrer zum Chef, indem sich dieser zu einer Liegefunktion samt Fußstütze umfunktionieren lässt. Doch auch im Fond darf man sich über viel Beinfreiheit und Komfort erfreuen. An Platz mangelt es in diesem Auto definitiv nicht.

2023 Nio EL7 | MarioRoman Pictures
2023 Nio EL7 | MarioRoman Pictures

Das luftige Cockpit wird hinter dem Lenkrad von einem 10,2 Zoll HRD-Display und in der Mittelkonsole von einem 12,8 Zoll-Amoled-Center-Bildschirm ergänzt. Hinter dem System arbeitet ein Hochleistungscomputer mit Qualcomm Snapdragon Funktion und sorgt für einen reibungslosen Ablauf aller Systeme. Ähnlich wie bei Tesla sind fast alle Funktionen nur via Touch erreichbar, was leider auch den Lautstärkeregler betrifft.

An der Menüführung selbst gibt es nichts zu meckern, hier fühlt man sich nach einer kurzen Eingewöhnungszeit gut aufgehoben. Für die Augen gibt es eine 256 farbige digitale Wasserfall-Ambient-Beleuchtung für die Ohren mächtigen Sound aus der 7.1.4 Dolby-Atmos-Surround-Analage. Auch Allergiker dürften sich am intelligenten Luftsystem mit aktivem Aktivkohle-Luftfilter erfreuen.

2023 Nio EL7 | MarioRoman Pictures
Guter Sitzkomfort aber wenig Seitenhalt im Nio EL7

Unterhalb der Passagiere arbeitet vorn ein 180 kW Permanentmagnetmotor und hinten ein Induktionsmotor mit 300 kW. Daraus ergibt sich eine Systemgesamtleistung von 652 PS (480 kW) die den Asiaten in gerade mal 3,9 Sekunden nach vorn schießen lassen. Das fast sofort anstehende Drehmoment von 850 Nm wird niemand verleugnen können, der einmal das Gaspedal in den Boden versenken durfte. Leider wird dem Vorwärtstrieb schon ab 200 km/h ein Riegel vorgesetzt.

Die verschiedene Modi von Eco bis Sport+ sind jeweils gut abgestimmt und lassen den EL7 bei Bedarf vom soften Grandma Butler zum aggressiven Bad Boy mutieren. Das höhenverstellbare Luftfahrwerk ist dabei harmonisch abgestimmt und auch die Lenkung ist sehr präzise geraten. Selbst in schnell gefahrenen Kurven war ein Nachkorrigieren selten vonnöten. Tatsächlich vergisst man schnell, dass man hier in einem knapp fünf Meter langem Monster sitzt, da der EL7 die Grenzen der Physik gewissermaßen spielend leicht auszuhebeln vermag.

Bei so viel Power möchte man meinen, dass Nio hier auch mit neuster Ladetechnologie auftrumpft. Und genau schwächelt die Marke… oder auch nicht. Tatsächlich wird eine 75 kWh Batterie angeboten, die mit bis zu 140 kW lädt und bis zu 394 Kilometer laut WLTP schaffen soll. Die 100 kWh Batterie kommt nur auf 126 kW, bringt den EL7 aber laut WLTP bis zu 509 Kilometer weit. Beides Werte, die in Zeiten von Hyundai Ioniq 5 oder Audi e-tron GT sehr altbacken wirken. Aber…

2023 Nio EL7 | MarioRoman Pictures
2023 Nio EL7 | MarioRoman Pictures

Besitzer eines Nio kommen in den Genuss der Swap-Stationen, die der Hersteller in Europa gerade massiv ausbaut. Hier wird die Batterie einfach innerhalb von fünf Minuten ausgetauscht. Der Kunde kann direkt weiterfahren und die gewechselte Batterie kann schonend geladen werden. Eine Win-win-Situation, die auch gerne von anderen Herstellern übernommen werden darf. Für 2024 wurde zudem eine sündhaft teure 150 kWh-Variante auf Halbfeststoff-Zellenbasis angekündigt die allgemeine Reichweite massiv nach oben peitschen soll.

Der NIO EL7 kann hierzulande in verschiedenen Varianten geordert werden. Grundsätzlich geht es los ab 73.900 Euro. Hier ist fast alles inkludiert, mit Ausnahme von speziellen Lacken und der hier montierten 21-Zoll-Räder. Darüber kann sich der Kunde dazu entscheiden, die jeweilige Batterie zu kaufen oder zu mieten. Für die 100 kWh-Variante würde dies 21.000 Euro oder 289 Euro im Monat bedeuten, für die kleinere 75 kWh-Variante 12.000 Euro oder 169 Euro im Monat. Tatsächlich ist der Kauf des Akkus keine gute Wahl, da er sich erst nach rund sechs Jahren rechnet und zudem die Option der Swap-Station entfällt.

Wie sich der Nio EL7 im richtigen Alltag fährt, konnten wir zwar noch nicht erleben, aber schon die erste Testfahrt macht Lust auf mehr. Die Chinesen geben Vollgas und sind mittlerweile eindeutig in der Lage selbstständig Fahrzeuge auf europäischem Premium-Level zu produzieren. Die Luft wird langsam dünn für Mercedes und co.

Fanaticar Magazin | Fotos: MarioRoman Pictures