Ein Rennbericht von Dietmar Stanka
Mitte Juni in Le Mans. In einer Stadt in Frankreich die es laut EU-Kommissar Günther Öttinger gar nicht geben kann. Für den ehemaligen Ministerpräsidenten Baden-Würtembergs endet Frankreich ja direkt hinter Paris. Was aber niemanden davon abhält, bereits seit 1923 zum nunmehr 80sten 24-h-Rennen an die Loire zu reisen. Audi in diesem Jahr mit vier Rennwagen, zwei R18 ultra und zwei R18 e-tron quattro, den ersten Hybrid-Rennwagen der Ingolstädter.
Das Qualifying
Spannend und eng. Denn Audi ist nicht das einzige Unternehmen, das mit Hybrid-Rennwagen in Le Mans startet. Toyota, seit vielen Jahren mit dem Prius weltweit sehr erfolgreich unterwegs, will diese Technologie ebenfalls auf Rennstrecken einsetzen. Gut für Audi, denn Konkurrenz belebt das Geschäft. Vor allem im Rennsport und auch weil Peugeot in diesem Jahr nicht mehr angetreten ist. Schade drum, ein Dreikampf hätte dem Rennen mehr als gut getan.
Das Rennen am ersten Tag
15 Uhr. Die Ampel schaltet auf grün und ab geht die wilde Hatz über eine zu einem kleinen Teil permanente Rennstrecke und zu einem großen Teil ganz normalen Landstraßen, deren lange Geraden nur von einigen Schikanen unterbrochen sind. Ich beobachtete das Spektakel von der Audi Racing Terrace in Höhe der Dunlop S. Dort müssen sich die Rennwagen vernünftig einsortieren, um einen Crash zu vermeiden.
Was vorzüglich klappte. Die gesamte Formation düste, fast wie an einer Schnur gezogen an uns vorbei. Und das bei strahlendem Sonnenschein. Vormittags während des Warmups goss es, genau wie am Vortag bei der großen Fahrerparade in Le Mans, wie aus Kübeln. Von Anbeginn setzten sich die beiden R18 e-tron quattro an die Spitze des Feldes. Gefolgt von den R18 TDI und den Toyotas. Die Hybridtechnologie der beiden e-tron funktioniert mittels eines Drehmassenspeichers, der in einem gut gepanzerten Hochvakuum mit bis zu 45.000 Umdrehungen pro Minute rotiert. Die gewonnene Bremsenergie wird dabei mittels zweier Antriebswellen in Strom umgewandelt.
Diese Energie kann bei einer Kurvenfahrt abgerufen werden und verwandelt den Hecktriebler kurzfristig in einen quattro. Bis zu 155 kW (204 PS) stehen dann zur Verfügung, die eine Verbesserung der Traktion ermöglichen. Um den Vorteil zu kompensieren, greift das Reglement ein. Der Tankinhalt fällt um 2 Liter kleiner aus, die maximale aus der Rekuperation gewonnene Energie ist auf 0,5 Megajoule begrenzt und die Zahl der Bremszonen für Le Mans wurde auf sieben festgelegt.
Bis auf kleinere Rempeleien die bei den Überrundungen und Überholvorgängen normale Rennsituationen sind, verlief das 80. 24-h-Rennen viele Stunden absolut problemlos. Bis dann einmal wieder ein Ferrari-Pilot den Fahrfehler seines Lebens machte. Bei der Anfahrt auf die Mulsanne überrundete der Toyota Hybrid mit Anthony Davidson am Steuer kurz vor 20 Uhr einen der wesentlich langsameren Ferrari 358 Italia.
Ähnlich wie bei dem dramatischen Unfall mit Mike Rockenfeller und einem Ferrari im letzten Jahr zog der Fahrer des Ferrari plötzlich nach rechts, touchierte den Toyota, sodass dieser nach einem heftigen Überschlag in dem Reifenstapel an den Leitplanken zum liegen kam. Anthony Davidson knackste sich bei dem Aufprall zwei Wirbel an, der Ferrari-Pilot blieb wohl bis auf ein paar blaue Flecken unverletzt.
Kurz zuvor ramponierte sich Romain Dumas nach einem Fahrfehler die Schnauze seines R18 TDI. Der Gag an dem Unfall war, dass Dumas aus dem Auto sprang, unter den erstaunten Blicken der Streckenmarshalls selbst den kompletten Vorderbau seines Autos abriss und dann mit einer vorne rechts gebrochenen Radaufhängung in die Box rollte. Glück im Unglück also für die Startnummer 3, denn die Safety-Car-Phase nach dem schweren Unfall mit dem Toyota dauerte mehr als eine Stunde, die in der Box für die Wiederherstellung des Audi perfekt genutzt wurde.
Kurz vor 2 Uhr in der Nacht musste dann auch der zweite Toyota die Rennstrecke verlassen. Wohl ein technischer Defekt war schuld daran, dass die Audis nunmehr fast allein ihre Klasse beherrschten.
Das Rennen am zweiten Tag
Die Nacht war wie immer kurz in Le Mans. Eine Mütze Schlaf muss genügen, schließlich steht das Rennen im Mittelpunkt. Meist komplett unbedrängt drehten die vier Audis ihre Runden, unterbrochen nur durch die regelmäßigen Tankstopps und Fahrerwechsel. Ein weiterer Fahrfehler, diesmal von Marc Gene, kostete eine weitere Schnauze und den Verlust des vierten Platzes. Ansonsten verlief das Rennen mehr oder weniger problemlos.
Der Zieleinlauf
Knapp 14 Sekunden waren es im letzten Jahr, als der einzig verbliebene von drei Audi R18 als Sieger vor dem Peugeot durchs Ziel schlüpfte. In diesem Jahr waren die beiden Toyota Hybrid leider nicht dabei. Einzig ein Lola schlüpfte zwischen die aus vier Fahrzeugen bestehende Audi Phalanx. Aber das Podium wurde von Platz 1 bis 3 ausschließlich von den Audi Piloten besetzt.
Die Nase vorne hatten nach 378 Runden schließlich erneut die Vorjahressieger Marcel Fässler (CH), André Lotterer (D) und Benoît Tréluyer (F) am Steuer des Audi R18 e-tron quattro mit der Startnummer „1“. Dindo Capello (I), Tom Kristensen (DK) und Allan McNish (GB) sorgten mit ihrem zweiten Platz für einen Doppelsieg des Allradantriebs der Zukunft.
Le-Mans-Rookie Marco Bonanomi (I), Oliver Jarvis (GB) und Mike Rockenfeller (D) komplettierten im besten konventionell angetriebenen Audi R18 ultra den vierten Dreifachsieg für Audi bei den 24 Stunden von Le Mans nach 2000, 2002 und 2010. Romain Dumas (F), Loïc Duval (F) und Marc Gené (E) kamen mit dem zweiten R18 ultra auf Platz fünf ins Ziel.
Schlussanmerkung
National Geographic, das renommierte US-Magazin bezeichnete die 24 Stunden von Le Mans als den wichtigsten Sportevent weltweit. Vor Olympischen Spielen und auch vor einer Fußball-Weltmeisterschaft. Jeder sollte diesen Wettbewerb mindestens einmal in seinem Leben besucht haben. Ich bedanke mich herzlich bei Audi, dass mir dies bereits zum zweiten Mal ermöglicht wurde. Und ja: ich freue mich auch auf ein drittes Mal!