Kennt noch jemand die Serie „Ein Mountie in Chicago“? Ich mochte diesen immer korrekten, kanadischen Bundesbeamten. Und letztes Wochenende hatte ich dann endlich mal die Chance, nach Kanada zu reisen, in der Hoffnung, endlich einen Mountie in der typischen roten Paradeuniform zu treffen. Es stellte sich, als schwerer heraus als gedacht. Um die Suche etwas bequemer zu machen, nahm ich mir die neue S-Klasse von Mercedes-Benz mit allen seinen Bequemlichkeiten zur Brust.
S – das ist das Mercedes-Synonym für Luxus und Komfort in der absoluten Oberliga. Wer in der Liga mitspielen möchte, muss erst einmal an der S-Klasse vorbei. Sie ist die Referenz für alle anderen Mitbewerber. Mercedes-Benz selbst gibt sich da etwas bescheidener – sie betiteln die neue S-Klasse schlicht und einfach als das beste Auto der Welt. Wenn da mal die Nase nicht zu hoch war.
Für die unter Euch, die es noch nicht wissen: Maybach hat das Zeitliche gesegnet. Gegen solch prestigeträchtige Marken wie Rolls-Royce und Bentley mit einer aufgepimpten S-Klasse anzutreten, war ein schlussendlich großer Schmarn, das hat Mercedes dann am Ende selbst eingesehen. Sehr zum Vorteil der S-Klasse, denn nun wird sie wieder als das rechtmäßige Oberhaupt des Konzerns behandelt.
Das Design
Audi hat es nicht, BMW hat es nur bedingt, Jaguar ist wieder auf dem Weg dahin und Lexus wird es hierzulande wohl (leider) nie bekommen: das Vorfahrflair in der Elite! Und auch in der neuen Generation heißt es wieder hinten anstellen, denn Chefdesigner Gordon Wagener hat hier eine hervorragende Arbeit geleistet. Die neue S-Klasse wirkt sehr präsent und hat dank geschickter Linienführung besonders in der Seite eine sehr schlanke Linie.
Im Gegensatz zu den Vorgängern der Baureihe 220 und 221 hat die 222 endlich wieder das Zeug zu einem zeitlosen Klassiker zu avancieren. Besonders das Heck, mit den schlanken Leuchten, weiß hier zu gefallen. Einzig die etwas zu groß geratenen Fugen der Motorhaube zwischen Kühlergrill und den Scheinwerfern bringen den sonst so stimmigen Gesamteindruck etwas ins Schwanken. Ansonsten: Applaus!
Die erste Fahrt mit der neuen S-Klasse darf ich allerdings noch nicht selbst antreten, sondern mit Chauffeur. Er erzählt uns stolz von der charmanten Stadt, deren Architektur eindeutig europäische Züge hat. Knapp 2,6 Millionen Einwohner zählt die größte Stadt Kanadas, wenn man die Metropolregion mitzählt sind es sogar 5,6 Millionen. Toronto liegt direkt am Ontariosee, dem flächenmäßig kleinsten der fünf großen Seen in Nordamerika. Um das Wort „klein“ mal kurz für nicht Amerikaner zu definieren: Dieser See schluckt mal eben Rheinland-Pfalz von der Fläche. Der Hauptzufluss erfolgt über den Niagara River, der auch die berühmten Niagara-Fälle beherbergt. Doch dazu später mehr.
Der Fond
Während der Fahrer also euphorisch von seiner Heimatstadt erzählt, fange ich gerade an, mich im Fond der S-Klasse richtig heimisch zu fühlen. Als Erstes fällt das gemütliche Kissen in der Kopfstütze auf. Auch die Sitze sind wieder ein Garant für ein entspanntes Vorankommen über längere Strecken. Über LCD-Displays in den vorderen Kopfstützen lässt sich eine Vielfalt an multimedialen Möglichkeiten konfigurieren, die größte Begeisterung löste wohl die chillige Hot-Stone Massage aus.
Dazu lassen sich die Sitze individuell verstellen. Wer sich die Lang Variante gegönnt hat, bekommt sogar die Möglichkeit, die Füße auf der Beifahrerseite auszustrecken. Auch an die arbeitende Zunft wurde gedacht. Die Mittelarmablage beherbergt ein Tablet für Perephie-Geräte wie Laptop und Co. Übrigens ist die S-Klasse das erste Auto der Welt, das serienmäßig komplett auf LED Technologie setzt. Fast 500 LEDs übernehmen die Beleuchtung von Straße, Fahrzeug, Innen- und Kofferraum. Besonders gefallen hat dabei die In Szene Setzung des Innenraums bei Nacht mit der Ambientebeleuchtung.
Praktisch ist darüber hinaus, dass man mit dem internen W-LAN Hotspot in UMTS Geschwindigkeit sofort online gehen kann. Und wer dazu noch ein wenig musikalisch berieselt werden möchte, dreht die ohne Frage exzellente Burmester Anlage auf. Doch richtig in Verzückung brachte mich die grandiose Abschirmung nach draußen. Selbst bei voller Lautstärke im Innenraum eliminiert die S-Klasse die Geräuschkulissen nach draußen so effizient wie möglich.
Ich verzichte an dieser Stelle mal darauf, dass die meisten hier genannten Features optional verfügbar sind. Wer sich ein Auto von diesem Format leisten kann, wird auch ein wenig Kleingeld für solche Spielzeuge übrighaben. So schön es auch war, einen Mountie habe ich heute trotzdem nicht erblicken können. Schade.
Das Fahren
Am nächsten Tag darf ich mich endlich hinter das Steuer des weltweit besten Autos begeben. Der Blick ins Cockpit lässt jeden Technik-Nerd mit den Ohren schlackern. Zwei riesige, um nicht zu sagen, sogar opulente LCD-Displays versorgen Fahrer und Beifahrer mit allen Funktionen, die das Fahren lebenswerter machen. Die Auflösung der Bildschirme ist ähnlich brillant, wie die eines Retina Displays. Das sorgt dafür, dass die Tempo- und Drehzahlmesser so gestochen scharf daher kommen, als wären sie real. Kleine Botschaft an die Erbauer des neuen Jaguar XJ – SO MACHT MAN DAS!!!
Nur die Uhr in der Mittelkonsole wird noch analog betrieben. Das letzte Relikt aus vergangenen Tagen- hoffentlich bleibt es auch in den nächsten Generationen noch erhalten. Auch schick, die Luftzufuhr der Lüftungsdüsen lässt sich wie ein Radio-Regler bedienen.
Es geht los, knapp 220 km sind es bis zum Lake Muskoka. 220 sehr langweilige Highwaykilometer. Doch als anerkannter Technik-Freak weiß man sich ja zu helfen. Das überarbeitete DISTRONIC PLUS System arbeitet jetzt noch effizienter als zuvor. Das wird besonders im Stau zügig sichtbar.
Kleines Beispiel. Der Tempomat wurde auf Tempo 100 km/h gestellt. Der Wagen hält sich dabei wie gewünscht an das Tempo. Soweit bekannt. Distronic Plus geht aber noch einen Schritt weiter. Fährt ein Auto vor einem langsamer, hält die S-Klasse automatisch den Sicherheitsabstand ein, ohne dass der Fahrer eingreifen muss. Und das geht zur Not sogar bis zum Stillstand.
So lässt sich jeder Stau stressfrei überwinden, zumal man sogar mal kurz die Hände vom Lenkrad nehmen kann, denn dank des aktiven Spur-Halte Assistenten lenkt die S-Klasse sogar selbstständig mit. KITT ist nicht mehr weit entfernt und somit auch die Auto-Pilot Taste. Trotzdem wacht die S-Klasse permanent über die Reaktionen und Bewegungen des Fahrers. Weichen sie zu sehr von der Norm ab, wird auf einen kleinen Kaffee Stopp hingewiesen.
Kein Kurvenfan
Das Fahrwerk bietet die Möglichkeit zweier Fahrmodi: Komfort und Sport. Was soll man sagen? Passt! Was die Querdynamik angeht, sind hier Jaguar XJ und BMW 7er deutlich überlegen. Aber Mercedes hat darauf auch schon eine Antwort parat und die heißt schlicht und einfach AMG. Aber mal ehrlich! Wer prügelt ein solch galantes Meisterstück schon um die Kurven? Interessanter ist dagegen die Option des sogenannten MAGIC BODY CONTROL Systems.
Eine Stereokamera überwacht permanent die Begebenheiten der Straße (ROAD SURFACE SCAN). Das ist ja an sich schon eine feine Sache, aber wenn das Fahrwerk dazu blitzschnell auf ungemütliche Passagen wie extreme Bodenwellen reagiert, dann fällt dem an sich verwöhnten Schreiberling nichts anderes mehr ein, als die Kinnlade ganz weit nach unten fallen zu lassen.
Auf der langen Fahrt zum See befasse ich mich intensiv mit den schier unendlich scheinenden Features des Luxury Super Sedans. Der größte Knaller in meinen Augen war hierbei die Möglichkeit der Beheizung der Armablagen. Wenn selbst ein Opel Corsa schon eine Lenkradheizung anbietet, muss man halt anders einen draufsetzen.
Ach ja, ehe ich es vergesse. Unter der Haube der Cheflimousine kam das derzeitige Topaggregat zum Einsatz. Ein 4,6 Liter V8 sorgt dank Turboaufladung für ein maximales Drehmoment von 700 Newtonmetern. Das reicht für einen Sprint von 0 auf 100 km/h in nur 4,8 Sekunden und eine maximale Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h. Ich würde es bei diesem Auto eigentlich fast so belassen wie Rolls-Royce es damals immer charmant formulierte, wenn man sich erdreiste nach der Leistung ihrer Luxusboliden zu fragen: „Enough“. Und ja, 455 PS sind mehr als genug für ein Auto dieser Art.
Letzter Stop: Niagara Fälle. Mittlerweile habe ich knapp tausend Kilometer hinter mich gebracht, ohne einen Mountie in real gesehen zu haben. Leicht frustriert versuche ich einen Parkplatz bei den berühmten Wasserfällen zu finden, als plötzlich… ein Mountie umherpatroulliert. Ich nehme all meinen Mut zusammen und spreche ihn an.
Mit festem Händedruck schüttelt er meine Hand und lässt sich auf ein Erinnerungsfoto mit meiner treuen S-Klasse ein. Wahnsinn! Ich habe einen echten Mountie angefasst. Und die S-Klasse hat mich dabei nie im Stich gelassen. Man muss es einfach mal in aller Klarheit betonen: Mercedes hat hier das derzeit beste Auto der Welt hingestellt. Ich hasse es, wenn Andere recht haben…
Credits:
Text: Mario-Roman Lambrecht
Fotos: marioroman pictures / Fahraufnahmen: Heike Kaufhold (Vielen Dank 😉 )
Technische Daten Mercedes-Benz S500 (W220) LWB
Motor |
V8 |
Leistung in kW / PS |
335 (455) bei 5.250 – 5.500 U/min |
Hubraum |
4.663 ccm |
maximales Drehmoment |
700 Nm bei 1.800 bis 3.500 U/min |
Getriebe |
7G-Tronic-Plus |
Beschleunigung 0 auf 100 km/h |
4,8 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit |
250 km/h |
kombinierter Verbrauch |
9,1 Liter auf 100 km |
CO2 Emission |
199 |
Tankinhalt |
80 Liter |
Leergewicht |
2.015 kg |
Zulässiges Gesamtgewicht |
2.730 kg |
Preis |
ab 107.635,50 € |
Weitere Impressionen:
weitere Bilder folgen die Tage…
Das sagen die Kollegen:
Nicht nur Fanaticar war vor Ort, sondern auch viele andere Kollegen der schreibenden Zunft. Die fleißigsten unter Ihnen waren wohl Jan und Jens, die ihr Auto mit ausgefahrenen Krallen verteidigt haben, um Ihren Verbrauch nicht zu verfälschen. 🙂 Ziel war der angegebene Norm-Wert von 9,1 Litern auf 100 km. 🙂 Ob sie das erreicht haben, erfahrt ihr auf Rad-Ab. Ich habe das Teil übrigens auf 9,8 Liter bekommen, danach fühlte ich mich aber leicht narkotisiert. 11 Liter im Alltag sind wohl am realistischsten.
Zusätzlich zu den Fahrberichten von Jens und Jan gibt es noch ein schönes Video der beiden mit ersten Impressionen und Eindrücken. Übrigens sind die Jungs schwer internetsüchtig. Jeder W-LAN Hotspot in Kanada wurde gnadenlos ausgenutzt.
Auf Don Dahlmann übten die Straßen von Kanada eine gewisse Faszination aus. Für mich gilt immer noch … die perfekte Gerade ist eine Kurve. Hehe! Auf Racingcarz geht er dann doch noch ausführlich auf die neue S-Klasse ein.
Auch Moritz Nolte von Automobil-Blog hat seine Meinung kundgetan.
Am Ende war aber eines klar… alle mochten sie meinen Wackel-Mini-Mountie- der sich nun neben Wackel-Elvis aus Las Vegas ausruhen darf. Na ja … mehr oder weniger. 😉