Es war eine kurze aber intensive Begegnung. In Siena, dort wo die Mille Miglia tausende Zuschauer in ihren Bann zieht, trafen sich Gegenwart und Klassik. Die zeitgenössische Giulietta und die Giulietta, die vor 60 Jahren mit ihrem Charme ganz Europa begeisterte.
Von Bologna nach Siena ist es nur ein Katzensprung. Die Autobahn als Verbindungslinie lässt den zwei Liter Multijet Turbo Diesel in aller Ruhe arbeiten. Kleine Zwischensprints sind für die 150 PS eine Freude, die viertürige Italienerin spielt ihre Stärken, also Laufruhe und Agilität sehr souverän aus. Das Gewicht hilft, 1,3 Tonnen und ein sauber abgestimmtes Fahrwerk lassen den schicken Italiener eher sportlich als gemächlich die Kilometer verspeisen. Man fährt eigentlich nicht, man flaniert und das 6-Gang Getriebe serviert die Gänge wie in einem sehr feinen Ristorante. Kein Ruckeln, keine Haken und Ösen. Magnificamente.
Am Flughafen, eine Viertelstunde vorher, ein erster Rundgang. Kein Blindate, man kennt sich vom Hinterherschauen, die Nase, der Hintern und die gesamte Figur. Typisch italienisch. Keine EU-Einheitsfigur, eher Rundungen und ein Gesicht, das man ohne Nachdenken sofort einordnen kann. Alfa, die Marke mit dem Kleeblatt, der so typischen Kühlermaske und dem Hinterteil, das Dir einen stilvollen und dynamischen Nachmittag verspricht. Und wenn Du ein charmanter Signore bist, dann kann man auch mal über einen spritzigen Abend nachdenken. Möglich ist da alles, nur nicht zu ungeduldig sein. Die Rückfahrt von Siena nach verspricht Kurven in der Landschaft und ein wenig mehr gaudio.
Jetzt aber rollt man dahin. Irgendwann kommt die Skyline von Siena ins Bild. Die uralte Innenstadt, die rosaroten Dächer, die Sonne als Beleuchter und Stimmungsmacher. Hier wird uns die Giulietta ihre Mama vorstellen, eine Gelegenheit, die man nicht sehr oft bekommt.
Der nächste Morgen, ein sehr guter Kaffee, noch einer. Die Kamera gezückt, der Himmel so azuro wie ihn nur Adriano Celentano besingen konnte. Eine kleine Gasse, die Treppe links führt hinein in ein Gewühl von Gassen in die schon jetzt massenweise Touristen strömen. Kein Sommerschlussverkauf, es ist Mille Miglia und der Frühsommer hat sein schönstes Kleid angezogen. Neben der Treppe eine Garage und in der Garage wartet sie. Die Giulietta, Baujahr 1954. 60 Jahre, die man nicht sieht. Höchstens erahnt. Soviel Chrom wurde nur damals als Zierde verbaut, wie Kosmetik und so wunderbar nervig in der Sonne, Wenn die Kamera immer wieder nach Stellen sucht, die nicht von Reflexionen heimgesucht werden. Wie wunderbar einfach die Figur der Giulietta, zierlich, grazil und trotzdem präsent. Ein paar hundert Meter auf dem Beifahrersitz, winzige Schalter, Lichter, Hebel und das Volant, eine Übung für die Feinmotorik. Der Motor weiter vorn summt und werkelt wie ein Bienchen. Das alles klingt so idyllisch, nach der Romantik der Nachkriegszeit, aber damals schon war die Giulietta ein ganz schön zackiger Wagen. Nicht so perfekt ausbalanciert wie heutige Alfas, aber schon die Vorstellung einer sportlichen Ausfahrt mit dieser Dame begeistert.
Fototermin am Brunnen. Beide Gesichter in Position. Unterscheide muss man nicht suchen. Die moderne Giulietta zeigt die Kurven und Kanten der Computer-gesteuerten Fertigungstechnik, die Aerodynamik der Neuzeit. Effizienz ist Trumpf. Verbrauchsoptimiert und trotzdem ein Alfa. Damals, Mitte der 50er, war Fortbewegung und italienische Leichtigkeit das Gebot der Stunde. Preiswert musste es sein, die macchina.
Es ist 13.00 Uhr Mittags und auf der Piazza del Campo laufen die berühmten Verwandten der Giulietta ein. 6C, 8C, 1900. Zagato schneiderte die Roben, 1600 Kilometer wurden verschlungen. Alfa ist Seriensieger. In 24 Rennen schafften die Mailänder elf Siege. Besser war niemand. Jetzt ziehen sie vorbei und ernten wie in jedem Jahr den verdienten Beifall.
Noch einmal die moderne Giulietta. Diesmal der Kurven-Swing durch die Lande. Runterschalten, vor der Kurve anbremsen und im Scheitelpunkt die 150 PS in Kombination mit dem Drehmoment unter Spannung setzen. Die Giulietta hebt leicht den Kopf und rennt los. Nicht so wild wie ein moderner C4, aber man spürt das Erbe der Alfas. Kein Rennwagen, aber ein Alfa-Tier mit Gemüt.