Porsche 911 (2016) | Fanaticar MagazinPorsche Enthusiasten mussten schon einmal einen Tiefschlag hinnehmen. Als anno dazumal die Luftkühlung des Boxers von schnöder Wasserkühlung abgelöst wurde. Nun kommt der nächste Brocken. Nix mehr Sauger mit 3,8 Liter Hubraum beim Porsche 911. Ein Turbo ist es geworden. Nun noch mit nur 3 Litern Hubraum, aber wenigstens noch ein Boxer. Wie der geht, hat uns Rallye-Legende und Porsche Testfahrer Walter Röhrl bereits kurz vor der IAA verraten: “Unten rum perfekt.” Das stimmt uns versöhnlich, als wir Anfang November zu den ersten Runden mit dem neuen 911 Carrera und dem 911 Carrera S als Coupé und Cabrio auf Teneriffa drehten.

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Porsche 911 (2016) | Fanaticar MagazinForm und Funktion

Das Modell 991 ist auch nach dem Facelift unverkennbar geblieben. Bei genauer Betrachtung finden sich allerdings einige signifikante Änderungen der Modellpflege. Augenfällig sind beispielsweise die stärker ausgeprägte und damit deutlich aerodynamischere Buglippe. Erneuert wurden auch die Frontscheinwerfer sowie die Rückleuchten. Markant andersartig zeigt sich das Lüftungsgitter der Motorenabdeckung. Die Streben sind nicht mehr quer, sondern nun längs angeordnet. Im Heck finden sich unten seitlich zudem Luftauslässe, die der Kühlung der beiden Turbolader geschuldet sind.

Das Interieur ist weiterhin typisch Porsche. Zündschloss links, Multifunktion am Serien-Lenkrad Fehlanzeige und nur gegen Aufpreis erhältlich. Bedienung ergonomisch, bedingt durch eine geringe Anzahl an Schaltern. Doch halt. Ein Drehrad im unteren rechten Bereich des Lenkrads hat sogar zwei Schalter eliminiert. Die Fahrmodi-Wahl Normal, Sport und Sport Plus wird nunmehr gedreht und nicht mehr gedrückt.

Eine essentielle bedeutende und längst überfällige Neuerung ist dem Porsche Communications Management (PCM) widerfahren. Endlich mit vernünftiger Grafik auf dem sieben Zoll großen Touchscreen sowie Anbindung von Smartphones und regulären Mobiltelefonen via WLAN. Im Moment funktioniert allerdings nur die Nutzung von Apple Car Play mit dem iPhone. Android wird laut Aussagen von Porsche in Kürze zur Verfügung stehen. PCM sowie Connect Plus inkl. Telefonmodul, drahtlosem Internetzugang, Porsche Car Connect und ein Soundpackage mit acht Lautsprechern ist, man mag es gar nicht glauben, Serie in jedem Porsche 911 Carrera.Porsche 911 (2016) | Fanaticar MagazinFahrverhalten

Klar geht der neue Porsche 911 unten rum perfekt. Steht doch das Drehmoment von 450 Nm (Carrera) bzw. 500 Nm (Carrera S) auf einer Plattform von 1.700 bis 5.000 Umdrehungen pro Minute zur Verfügung. Turboloch? Fehlanzeige. Leistungsplus nicht nur beim Drehmoment, das jeweils 60 Nm gegenüber den 3,8-Liter-Saugern gewonnen hat. Auch die kW/PS-Werte wurden angepasst. 15 kW (20 PS) sind es mehr, sodass der 911 Carrera nun 272 kW (370 PS) und der Carrera S 309 kW (420 PS) in die Waagschale schmeißen.

Mehr Power, bessere Beschleunigung. Jeweils zwei Zehntel wurden abgeknapst, sodass der Carrera mit Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK) und Sport Chrono-Paket in 4,2 und der Carrera S mit gleichem Package in 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h eilt. Der für einen Sportwagen dieser Couleur schon immer relativ niedrige Verbrauch konnte laut Angaben von Porsche gegenüber dem 3,8-Liter um 12 Prozent gesenkt werden. Der kombinierte Verbrauch des Carrera soll somit 7,4 Liter, der des Carrera S 7,7 Liter auf 100 km betragen. Gemessen jeweils mit dem PDK.Porsche 911 (2016) | Fanaticar MagazinAuf unseren Testfahrten waren wir zuerst mit dem 911 Carrera Cabrio unterwegs. Offen selbstverständlich bei 26 Grad und blauem Himmel. Eines der wichtigsten Kriterien bei der Auswahl des Testwagens war das Vorhandensein des Sportauspuffs. Der im Gegensatz zu den flach gestylten Serienrohren zwei runde aus dem Heck streckt. Und mit der berühmten Taste auf der Mittelkonsole ausgestattet ist. Natürlich muss diese nach jedem Start aktiviert werden, um das herrlich Sprotzeln und Brazzeln in Reinform genießen zu können.

Mehr denn je haut der neue Porsche 911 Carrera bei der Gaswegnahme knallige Töne aus den Endtöpfen. Es spotzt und rotzt wie eine Ode der Freiheit und steigert die infantile Fahrfreude ins Unermessliche. Noch dramatischer wird es mit dieser Freude mit einem Fahrwerk, das sämtliche Kompromisse in Bestform miteinander vereint. Es spielt keine Rolle, ob man mit höchstem Komfort reisen möchte oder, wie wir auf Teneriffa, auf einer extra abgesperrten 4,2 km langen Bergstrecke die Kuh fliegen ließen.Porsche 911 (2016) | Fanaticar Magazin

Am nächsten Tag starteten wir in der Morgendämmerung in Richtung des Vulkans Teide. Unterm Popo das 911 Carrera S Coupé. Als Sitzmöbel waren die mit 3.558,10 Euro leider sehr teuren Sportschalensitze mit einer Sitzschale aus glas- und kohlefaserverstärktem Kunststoff verbaut. Perfekten Seitenhalt bietend rauschten wir, nicht unbedingt immer alle Verkehrsregeln auf das Genauste beachtend, von nahezu 0 Höhenmetern auf deren über 2.200.

Die teils engen Kurven wurden mit der optional erhältlichen und aus dem Porsche 911 Turbo bekannten Hinterachslenkung wie auf Schienen durcheilt. Die 2.249,10 Euro sind unserer Ansicht gut angelegt. Steigert sie doch die Agilität und Fahrstabilität bei höheren Geschwindigkeiten. Zudem verkleinert sie den Wendekreis um etwa 0,4 m.

Porsche 911 (2016) | Fanaticar MagazinAusstattung

Die ach so begehrte Welt der Porsche 911 Carrera Modell startet mit der 370 PS-Version bei 96.506 Euro. Für das gleichermaßen motorisierte Cabrio müssen 109.695 Euro ausgegeben werden. Allrad gibt es ab 103.383 Euro und die beiden teuersten Modelle sind das 911 Carrera 4S Cabriolet und der 911 Targa 4S für jeweils 131.234 Euro. Wobei Carrera 4 und die Targa Modelle erst in 2016 verfügbar sein werden.

Klassisch werden sämtliche 911 Carrera mit einer manuellen Siebengang-Schaltung ausgeliefert. Die ist jedoch eine Rarität bei den tatsächlichen Auslieferungen. Die Masse ordert das Siebengang Porsche-Doppelkupplungsgetriebe PDK, das für 3.510,50 Euro in der 95 Seiten umfassenden Preisliste steht.Porsche 911 (2016) | Fanaticar Magazin

Gerollt wird als Carrera auf 19 Zoll und als Carrera S auf 20 Zoll großen Felgen mit Mischbereifung. Geleuchtet wird aus Bi-Xenon-Scheinwerfern, die auf Wunsch und Zahlung von 2.594,20 Euro von LED-Hauptscheinwerfern ersetzt werden können. Verliert man sich bei der Bestellung seines 911 Carrera nicht in Kleinigkeiten, die unglaublich viel Geld verschlingen, und beschränkt sich auf die wesentlichen Dinge die ein Porsche wirklich benötigt, könnte die Rechnung aufgehen, nur rund 10. – 15.000 Euro an Sonderausstattung auszugeben.

Fazit

Die Aufladung bringt’s. Der neue 911er, egal ob mit oder ohne S verbreitet extrem gute Laune. Ausgesaugt ist somit kein Problem, sondern eine Offenbarung. Wer er sich als Sauger-Purist nicht vorstellen kann, sollte, nein muss sich bei einer Testfahrt selbst von der ausgezeichneten Leistungsentfaltung überzeugen. Wir wetten, dass diese jeden auch noch so großen Skeptiker positiv beeindrucken wird. (ds)Porsche 911 (2016) | Fanaticar MagazinTechnische Daten: Porsche Carrera 911 S (Referenzmodell)

Motor: 6-Zylinder-Boxer
Getriebe: Siebengang-PDK
Hubraum: 2.981 ccm
Leistung in kW/PS bei xy U/min: 309 kW (420 PS)/6.500
Max. Drehmoment: 500 Nm bei 1.700 bis 5.000 Umdrehungen pro Minute
Länge/Breite/Höhe: 4.499/1.808/1.302 in mm
Radstand: 2.450 in mm
Leergewicht: 1.460 kg
Zul. Gesamtgewicht: 1.915 kg
Kofferrauminhalt: vorne 145 l, hinten 260 l
Bereifung: 245/35 ZR 20 vorne, 305/30 ZR 20 hinten
Felgen: 8,5 x 20? vorne, 11,5 x 20? hinten Alu-Schmiederäder
Beschleunigung: 4,1 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 306 km/h
Tankinhalt: 64 l
Kraftstoffverbrauch kombiniert: 7,7 Liter auf 100 km
Preis: 110.766 Euro inkl. MwSt.Porsche 911 (2016) | Fanaticar MagazinPorsche 911 (2016) | Fanaticar Magazin