Dem Erfindungsreichtum von McLaren scheinen keine Grenzen gesetzt. Seit gut sechs Jahren mischen die Briten den Markt der Supersportwagen komplett auf. Und das faktisch nur mit einem Motor und einer Karosse. Na gut, je nach Modell sind die Motorleistung und das Design immer wieder etwas anders. Dennoch dreht sich nach der Einführung des 650S alles um die typisch markante Form aller McLaren sowie um den 3,8-Liter-V6-Turbo, der sich in Leistungsbereichen von 540 bis 675 PS bewegt. Der neueste Spross ist der eben von uns gefahrene 570GT, von McLaren Grand Touring und nicht wie sonst üblich, Gran Turismo genannt.
Schau mir in die Augen und ich erkenn Dich sofort. Du bist der 570? Nein? Der 540? Nein? Schau doch mal genau hin. Ja, jetzt erkenne ich es. Du hast eine unglaublich lange Glasfläche. Es wölbt sich einer Ellipse gleich von den Niederungen der Kofferraumklappe hinter zur Motorabdeckung. Durch das Glaspanoramadach fließt unendlich Licht in den mit feinsten Leder ausgeschlagenen Innenraum.
Einparkhilfe, elektrisch verstellbare Lenksäule, Softclose-Türen und eine gegenüber dem 570S leisere Abgasanlage verwandeln diesen McLaren in ein echtes Reiseauto. Für mehr Platz sorgt zudem der unter Glasheckklappe befindliche, 220 Liter fassende Stauraum. Je nach Markt so angeschlagen, dass man diese immer von der Gehsteigseite öffnen kann.
Die luftige Anordnung des Touchscreen in der Mitte des 570GT ist identisch mit der der anderen beiden Vertreter der Sports-Series, dem 540C und dem 570S. Die Bedienung geschieht intuitiv mittels logischen Piktogrammen und umfasst Navigation, Klimaautomatik, Audioanlage, Bluetooth (Telefon) sowie eine elektronische Bedienungsanleitung des Fahrzeugs.
Darunter sind die für die ultimative Fahrfreude essentiell notwendigen Drehregler zur Justierung der Fahrmodi angebracht. Links der für das Handling, rechts der für die Antriebseinheit verantwortliche. Rund um das Lenkrad formieren sich die klassischen Hebel. Einer davon hebt den Vorderwagen, um die Spoilerlippe beim Überfahren von Schwellern oder sonstigen Hindernissen vor Kratzern zu schützen.
Das Glasdach gleicht dem des in der Ultimate-Series befindlichen P1. Es ist mit einer Akustik- und Solarfolie beschichtet, um auf der einen Seite die Sonneneinstrahlung zu minimieren und auf der anderen Seite Geräusche zu eliminieren. MSO (McLaren Special Operations) arbeitet im Moment zudem an einer Tönung, die, elektronisch gesteuert, den Lichtdurchlass mindern soll.
Mag sein, dass der 570GT nicht so laut faucht, wie der 570S. Cruisen ist das eine, Highspeed das andere Erlebnis. Auch das kann der 570 GT und lässt sich bis zu 328 km/h treiben. Leider nicht auf der Kanareninsel Teneriffa, auf der wir Mitte Mai 2016 die ersten Testfahrten mit diesem neuen McLaren unternahmen. Ein gutes halbes Jahr vorher waren wir bereits mit dem leistungsgleichen 570S auf portugiesischen Straßen und der Rennstrecke von Portimao unterwegs.
Nahezu frisch also noch die Eindrücke von damals. Der Druck auf den Starterknopf erweckt den 3,8-Liter-Twin-Turbo-Motor mit der gewohnten Vehemenz der acht V-förmig angeordneten Zylinder. Nach einem kurzen Aufbrüllen legt sich der Geräuschpegel und wir rollen aus der Hoteleinfahrt in Richtung Schnellstraße und hoch über die Serpentinen bei Abama in Richtung Autobahn.
Präzise und dennoch extrem leichtgängig die Lenkung in den engen Kurven im Normal-Modus. Schnorchelnd schraubt sich der leer 1.350 kg leichte Sportwagen nach oben, wo wir dann das erste Mal in Richtung der 120 km/h beschleunigen. Tatsächlich das Quäntchen leiser als der 570S, dem wir aber auch keine Lärmbelästigung vorwerfen konnten.
Waren für unsere ersten Testfahrten die optional erhältlichen Karbon-Keramikbremsen verbaut, empfehlen wir für den 570GT die ebenfalls kräftig zupackenden Stahlbremsen. Für den täglichen Gebrauch deutlich besser geeignet, als die für Rennstrecken ausgelegten 9.180 Euro teuren Keramik-Scheiben.
Auf halbem Weg nach Santa Cruz verließen wir die Autobahn und düsten in Richtung des mächtigen und mit einer Höhe von 3.718 Metern die Insel beherrschenden Vulkan Pico del Teide. Zeit für einen Eingriff in die Welt der McLaren Fahrmodi. Mit dem Druck auf den Active-Knopf wird über die Drehschalter aus dem Normal-Modus entweder der Sport- oder Track-Modus.
Allen drei Modi ist gemein, dass sich die elektronische Bildschirmanzeige entsprechend ändert. Im Track-Modus beispielsweise eine von links nach rechts verlaufende Anzeige des Drehzahlmessers, ähnlich wie in einem GT3-Rennwagen. Spätestens mit dem Sport-Modus verlässt der bis dahin so zahm wirkende McLaren 570GT den GT-Charakter.
Die wilde Kurvenhatz beginnt und die mit Pirelli zusammen entwickelten Gummis krallen sich noch tiefer in den Asphalt. Mit einer immer wieder faszinierend zu erlebenden Präzision der Abstimmung von Fahrwerk, dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe und dem 3,8-Liter-Twin-Turbo fliegen wir durch die Serpentinen, als ob es kein Morgen gäbe. Vorbei an dem Observatorium auf der einer Mondlandschaft gleichenden und voller schwarzer Lavabrocken übersäten Hochebene unterhalb des Teide-Gipfels genießen wir Landschaft und Fahrzeug gleichermaßen.
Auf der anderen Seite der Insel tauchen wir wieder ab in die Wolken, die die unteren Teile Teneriffas von der Sonne fernhalten. Zurück im Normal-Modus lassen wir den 570GT rollen und ein wenig ausschnaufen. In solch einer Art von Bewegung, lockeres Cruisen über Autobahnen und Landstraßen, zeigt sich zudem, dass dieser McLaren sehr wohl ökonomisch sein kann. Der Verbrauch sinkt locker unter 10 Liter, was den von McLaren angegebenen Durchschnittskonsum von 10,7 Litern bestätigt.
Für den teuersten im Bunde der Sport-Series-Familie von McLaren, der Einstieg liegt bei 195.350 Euro, wurde ein wenig tiefer in den Serienausstattungs-Topf gegriffen. Bereits erwähnt die elektrisch verstellbare Lenksäule zu der sich elektrisch verstellbare Sitze gesellen. Der Softclose-Mechanismus schließt die nach unten gezogenen Türen sanft.
Eine erweiterte Lederausstattung sowie das McLaren Acht-Lautsprecher Audio Plus-System ergänzen mit der ebenfalls erwähnten und durchaus sinnvollen Einparkhilfe die Serienumfänge des McLaren 570GT. Teuer kann der Griff in die Sonderausstattungs-Kiste werden. Allein für die kompletten Karbon-Umfänge am Exterieur und im Interieur werden bis zu 21.630 Euro fällig.
Bleiben wir kurz beim Exterieur und wenden uns den drei Standard-Farben Blau, Weiß und Silber sowie der gegen Aufpreis verfügbaren Spezial- bzw. Elitefarbpalette zu. Unter anderem ganz neu ist Pacific Blue, ein Farbton, der den Charakter des 570GT in exklusiver Eleganz widerspiegelt. Mit dem Eintauchen in das Interieur eröffnet sich eine ungeahnte Vielfalt von Kombinationen. Den Gipfel erreichen die “By McLaren” Innenausstattungen in 10 Varianten, davon 5 sportlich, 5 eher zeitgenössisch und luxuriös.
Mehr Kofferraum bringt eine höhere Reichweite. Die Verglasung bringt mehr Licht in den Innenraum. Mehr Licht bringt mehr Raumgefühl. Mehr Raum macht das Reisen angenehmer. Der Tradition eines GT verpflichtet, ist dieser McLaren das erste Modell der Marke mit höchstem Wohlfühlkomfort auch auf langen Strecken. Komfort, zumindest im Normal-Modus wollen wir einem 540C, 570S oder auch 650S dennoch nicht abschreiben. Der 570GT steigert diese Art von Lustempfinden in höchstem Maße nur noch mehr. (ds)
Technische Daten: McLaren 570GT
Motor: V8-Benziner
Getriebe: Siebengang-Automatik
Hubraum: 3.799 ccm
Leistung in kW/PS bei xy U/min: 478 kW (570 PS)/7.500
Max. Drehmoment: 600 Nm bei 5.000 – 6.500 Umdrehungen pro Minute
Länge/Breite/Höhe: 4.530/2.095/1.201 in mm
Radstand: 2.670 in mm
Leergewicht: 1.350 kg
Zul. Gesamtgewicht: n.n.
Kofferraumvolumen: 150 l vorne, 220 l hinten
Bereifung: 225/35 R 19 vorne, 285/35 R 20 hinten
Felgen: 8 x 19 vorne, 10 x 20 hinten, Alu geschmiedet
Beschleunigung: 3,4 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 328 km/h
Tankinhalt: 72 l
Kraftstoffverbrauch Kombinierter Verkehr: 10,7 l auf 100 km
Preis: 195.350 Euro inkl. MwSt.
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