Bodenbleche und robuste Textilien. Materialien, die man landläufig mit einem Geländewagen verbindet. Aber bitte doch niemals mit einem Ferrari! Weit gefehlt. Der 458 Speciale ist ein kompromissloser und ein auf das nötigste reduzierte Rennwagen, der eine Straßenzulassung erhalten hat. Aus knapp 4,5 Litern Hubraum, die in acht V-förmig angeordneten Zylindern unter einer aus durchsichtigem thermoplastischen Kunststoff namens Lexan zu bewundern sind, werden ohne jedwede Aufladung 445 kW (605 PS) auf die Hinterachse geleitet. Brutal? Na klar!
Klassisch die ultimative Sportwagenform aus Maranello, die vor nunmehr 40 Jahren mit dem 308 GTB ihren Anfang nahm. Dieser erfuhr durch Tom Selleck in seiner Rolle als Magnum in der gleich lautenden Fernsehserie weltweit eine hohe Popularität. Zwischen dem 308 und dem 458 wurden in der Emilia Romagna weitere Generation der erfolgreichen Sportwagen-Serie produziert.
Doch keiner war so extrem als Rennwagen ausgelegt, wie der 458 Speciale. “Am Ende waren der Umbau so gewaltig und das Auto so speziell, dass uns der Name nicht schwerfiel: Speciale“, erläutert Ferrari Entwicklungsdirektor Roberto Fedeli die Bezeichnung. Und so kommt der 458 Speciale in einem Vergleich einem Naked Bike am nächsten.
Abgespeckt, ja so richtig nackig gemacht. Der Gewichtsverlust von 90 kg gegenüber dem knapp 1,5 Tonnen leichten 458 Italia dramatisch. Sichtbar am besten im Cockpit, in dem der geriffelte Blechboden und Türeinlässe aus purem Carbon hervorstechen. Hörbar mit jedem Druck auf das Gaspedal, denn Dämmung ist Nebensache und somit überflüssig.
Überflüssig sind auch Details wie ein Radio oder ein Navigationssystem. Es gilt wohl in keinem Sportwagen mehr der Spruch, dass der Weg das Ziel sei. Zumal länger Strecken in diesem Auto nur für ausgesprochene Masochisten ein Vergnügen sein können. Das liegt an der brutalen Härte des Ferrari 458 Speciale und natürlich an dem infernalischen Lärm der acht Zylinder, die hinter dem Fahrgastraum wütende Symphonien ausstoßen.
Fahrverhalten
Es erfordert bei allen Sportwagen dieser Couleur ein klein wenig Übung, sich in die Schalensitze gleiten zu lassen. Einfacher als der übliche Teppichboden macht es beim Ferrari 458 Speciale der Blechboden, der die Schuhe in Richtung Pedale rutschen lässt,.
Einmal drin, ist es an der Zeit, sich in die Hosenträgergurte einzufädeln. Für Motorsportler ganz leicht, für den Rest der Menschheit etwas gewöhnungsbedürftig. Dann den Zündschlüssel klassisch eingeführt, umgedreht und nix. Kein Mucks. Tja, der Starterknopf ist am Lenkrad angebracht und nach einem sanften Druck auf denselben wird man von hinten angebrüllt. Laut. Verdammt laut.
Die 605 PS melden sich ungefiltert zu Wort. Orgastisch nahezu tobt im Rücken der Insassen ein Triebwerk, das es so wohl bald nicht mehr geben wird. Ein Direkteinspritzer mit 4.497 cm³ Hubraum. 605 PS bei 9.000 U/min. Ein maximales Drehmoment von 540 Nm bei 6.000 U/min und damit der leistungsstärkste Ferrari-8-Zylinder-Saugmotor aller Zeiten.
Zudem mit einer Leistungsdichte, die mit dem Rekordwert von 135 PS/l zugleich die höchste ist, die jemals von einem Saugmotor für ein Straßenfahrzeug erzielt wurde. Angeflanscht ist das Sahnestück von Motor, und im Konditorjargon zu bleiben, an eine Zuckertorte von Getriebe. Das F1-Doppelkupplungsgetriebe mit einer kürzeren Reaktionszeit auf Schaltbefehle als je zuvor.
Über das flügelartige Bedienteil, das auf der Mittelkonsole montiert, auf „A“ wie Automatik gedrückt, dann über den rechten Schaltpaddel den ersten Gang eingelegt und schon bewegt sich der 458 Speciale. Im kalten Zustand nicht so rundlaufend, dennoch leicht fahrbar. Wenn man gelassen bleibt und das große Triebwerk sich erst einmal mit warmen Öl überall beträufelt hat.
Für den alltäglichen Betrieb des 458 Speciale empfiehlt sich, den rechts unten am Lenkrad befindlichen Schalter, Manettino genannt, bei Sport einrasten zu lassen. Weitere Optionen sind Wet, sinnvoll bei feuchter Fahrbahn, Race, CT off und DSC off. Dieses Bündel der fahrdynamischen Systeme nennt Ferrari Side Slip Angle Control (SSC) und das kann einem so richtig den Kopf verdrehen.
Von Seiten Ferrari wird dieses System technisch nüchtern folgendermaßen erläutert: „Mit Hilfe einer neuen Software, die Querbeschleunigung, Gierwinkel, Lenkeinschlag und Geschwindigkeit berechnet, analysiert die SSC den Driftwinkel des Fahrzeugs in Echtzeit, vergleicht ihn mit Referenzwerten und gestattet so eine ausgeglichene, beherrschbare Übersteuerung, indem sowohl die Drehmomentsteuerung (über die F1-Trac-Traktionssteuerung) als auch die Drehmomentverteilung zwischen den beiden Antriebsrädern (über das elektronische Differential E-Diff) im Hinblick auf kürzeste Fahrzeugreaktionszeiten optimiert werden.“
In der Realität benimmt sich der Ferrari 458 Speciale je nach Einstellung als Mixtur zwischen einem unglaublich agilen Rennpferd und einem gerade eingerittenen Wildpferd. Das Auto kann extrem viel, ein Pilot sollte aber noch ein bisschen mehr können, wenn er diesem Cavallo wirklich die Sporen geben möchte.
Nix drin und nix dran? So schlimm ist es nun auch wieder nicht im Ferrari 458 Speciale. Zugegeben. Es fehlen die meisten, wenn nicht sogar fast alle luxurösen Schmankerl und die ach so wichtigen Features der Sicherheits-Assistenz-Systeme für die Vollkasko-Mentalität der gemeinen Autofahrergesellschaft.
Wichtiger sind harte Tatsachen wie sensationell zupackende Bremsen. Die natürlich von Brembo stammen müssen. Oder auch die Die Sabelt-Sitze mit Kohlefaserschalen. Essentiell ebenso die Aerodynamik-Eingriffe beim 458 Speciale. Dazu gehören unter anderem zwei senkrechte Flaps in der Mitte sowie eine waagerechter darunter.
Bei verhältnismäßig niedrigen Geschwindigkeiten sind die vertikalen Flaps geschlossen und leiten Luft in den Kühler, um die erforderliche Kühlung des Motors zu gewährleisten. Bei Geschwindigkeiten über 170 km/h öffnen sich diese Klappen jedoch, verringern das Volumen der Luft, die in den Kühler strömt, und verringern damit den Luftwiderstand.
Bei Geschwindigkeiten über 220 km/h senkt sich der horizontale Flap, um den Abtrieb zwischen Vorder- und Hinterachse auszugleichen, was zu einer 20%igen Umverteilung des Anpressdrucks nach hinten führt. “Beim Italia haben wir mit dem Durchströmen der Karosserie begonnen, jetzt perfektionieren wir die Aerodynamik mit aktiven sowie passiven Elementen, erzählte uns Ferrari Entwicklungsdirektor Roberto Fedeli zu diesen Maßnahmen.
Fazit
Absolut Rennwagen. Absolut brutal. Absolut geil. Mit diesem Ferrari werden zwar nur hartgesottene Zeitgenossen und sehr gute Autofahrer ihren Spaß haben. Den aber in einer Güte wie sonst nur selten in diesem Segment. Im 458 Speciale ist so viel weniger verdammt viel mehr. Das gilt neben der satten Leistung zwar auch für den Preis. Aber man gönnt sich ja sonst nix. (ds)
Technische Daten: Ferrari 458 Speciale
Motor: V8-Benziner
Getriebe: Siebengang-F1-Doppelkupplungsgetriebe
Hubraum: 4.497 ccm
Leistung in kW/PS bei xy U/min: 445 kW (605 PS)/9.000
Max. Drehmoment: 540 Nm bei 6.000 Umdrehungen pro Minute
Länge/Breite/Höhe: 4.571/1.951/1.203 in mm
Radstand: 2.650 in mm
Leergewicht: 1.395 kg
Zul. Gesamtgewicht: n.n.
Kofferraumvolumen: 564 – 1.353 l
Bereifung: 245/35 ZR 20 vorne, 305/30 ZR20 hinten
Felgen: 9 x 20? vorne, 11 x 20 hinten Leichtmetall
Beschleunigung: 3,0 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: > 325 km/h
Tankinhalt: 86 l
Kraftstoffverbrauch Kombinierter Verkehr: 11,8 l auf 100 km
Preis: 232.530 Euro inkl. MwSt.